Softwarepatente in Europa

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Softwarepatente schaden ihrer Gesundheit

3. Jänner 2005

Sehr geehrter Herr LEE Jong-wook,

Patente auf Software gewähren ein Monopol auf eine Idee. Der Patentinhaber kann willkürlich die Erlaubnis zum Gebrauch der Idee gewähren oder verweigern bzw. die Konditionen dazu einseitig definieren. Dafür muß keine einzige Zeile Quellcode geschrieben werden. Tatsächlich haben Patentanwälte bessere Aussichten, ein Patent erteilt zu bekommen als der Großteil der Softwareentwickler. Jedes Programm besteht dabei aus tausenden von Ideen, von denen jede einzelne grundsätzlich mit Patentansprüchen belegt sein kann. Und obwohl das Europäische Patentübereinkommen die Patentierung von Software ausdrücklich ausschliesst, wurden in den letzten Jahren tatsächlich bereits 30.000 Softwarepatente erteilt.

Die Diskussion ueber eine förmliche Einführung von Softwarepatenten findet seit Jahren statt und wir möchten Sie auf deren Bedeutung für die Telemedizin aufmerksam machen - ein Bereich, auf den Viele hoffen.

Wir sehen heute bereits erste Schritte in dieser Richtung: Anstatt per Post in Tagen können Röntgenbilder elektronisch in Sekunden übertragen werden. Ärzte werden bald in der Lage sein, die Körperfunktionen ihrer Patienten aus der Ferne zu überwachen. Dies könnte insbesondere die medizinische Versorgung in entlegenen Gegenden in aller Welt zu verbessern. Aber auch in den nördlichen Industrieländern könnten die gestiegenen medizinischen Ansprüche einer potentiell wohlhabenden älteren Generation besser erfüllt werden; diese Idee wurde jedoch bereits vor Jahren patentiert.

Die Datenbank des Europäischen Patentamts enthält derzeit 69 auf Telemedizin bezogene Patente. Diese scheinbar kleine Zahl sollte Sie jedoch nicht beruhigen: Nicht nur wird die Zahl mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der formellen Einführung von Softwarepatenten in die Höhe schießen; jede Anwendung im Gebiet der Telemedizin wird auch auf wesentliche Softwareprinzipien angewiesen sein.

Dies sind beispielsweise Netzwerke, Datenspeicherung und Sicherheit. Speziell die Sicherheit ist ein bedeutsamer Punkt, denn die Möglichkeiten, ein System sicher zu machen, sind begrenzt. Da keine Pflicht zur Erteilung von Lizenzen auf Softwarepatente existiert, wird unternehmerisches Taktieren vermutlich dazu führen, daß viele Anwendungen nach Gefechten in den Gerichtssälen verschwinden noch bevor die Patienten jemals von ihnen profitieren konnten. Zusätzlich werden die verfügbaren Anwendungen diese Rechtskosen refinanzieren müssen, während sie mit bekannten Sicherheits- und Stabilitätsschwierigkeiten zu kämpfen haben.

Softwarepatente geben dem Reichtum der Softwarepatent-Lobbyisten Priorität vor der Gesundheit der Bürger in Europa und in aller Welt.

Wir sind der Überzeugung, dass Softwarepatente Ihre Arbeit beeinträchtigen werden und bitten Sie, sich dem entgegen zu stellen. Wenn Sie weitere Fragen haben, zusätzliche Informationen benötigen oder uns aktiv in dem Schutz Europas vor Softwarepatenten unterstützen möchten, bitte zögern Sie nicht, mit uns Kontakt aufzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Greve
Präsident
Free Software Foundation Europe (FSFE)
fsfe.org