Softwarepatente in Europa

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Europas Städte werden an Softwarepatenten leiden

7. März 2005

EUROCITIES ist ein Netzwerk von etwa 100 größeren Städten der EU, Norwegens, der Schweiz, Mittel- und Osteuropas und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Eurocities wurde 1986 gegründet. Die Städte, welche Mitgleder des Netzwerkes sind, zählen insgesamt über einhundert Millionen Einwohner. Catherine Parmentier ist Vorsitzende von EUROCITIES.

Sehr geehrte Frau Parmentier

Der Europarat und die Europäische Kommission möchten eine gesetzliche Grundlage für Softwarepatente in Europa einführen. Dies würde Europäische Städte unkalkulierbaren und nicht voraussehbaren Risiken von Gerichtskosten für Verfahren im Zusammenhang mit Softwarepatenten aussetzen.Aus diesem Grund hoffen wir, dass Sie sich uns im Kampf gegen diese Arbeits- und Innovationszerstörer anschließen.

Stadtverwaltungen in ganz Europa haben dieselben Schwierigkeiten zu bewältigen: Die Zahl der Sozialhilfeempfänger steigt, die Staatskasse ist leer, und Bürger erwarten von der öffentlichen Hand eine so hohe Qualität wie nie zuvor. Diese offensichtlich widersprüchlichen Ziele sollen durch eine Umwandlung der vormals arbeitsintensiven Verwaltungsaufgaben in automatisierte, elektronische Prozeduren und Strukturen erreicht werden – nicht nur innerhalb einer einzigen Administration, sondern gleichermaßen zwischen verschiedenen öffentlichen Dienststellen, der Verwaltung gegenüber Bürgern und der Verwaltung gegenüber Unternehmen.

Das allseits bekannte Schlagwort dafür ist "eGovernment“.

Standardisierte Strukturen und Prozeduren, welche in Form von Software definiert und implementiert werden, um quer durch lokale Strukturen und Verwaltungen eingesetzt zu werden, bieten ein ideales Terrain für gerichtliche Forderungen bezüglich Softwarepatenten: Potenzielle Forderungen reichen vom Boden der Grundfunktionalität wie Netzwerken, Datenbanken und Dateisystemen, bis zu den abstrakten Methoden und Protokollen, welche die entsprechenden Funktionalitäten bieten.

Da Softwarepatente keinen Konzeptnachweis oder eine Implementierung benötigen, kann es sich der Patentinhaber auf einfache Weise leisten, abstrakte Methoden anzumelden und eigenmächtig entscheiden, Lizenzen herauszugeben oder zu verweigern.

Dies wird aus drei Gründen ein signifikanter Kostenfaktor werden: Von beiden, Softwareentwicklern und Benutzern kann der Eigner eines Softwarepatents fast jeden Geldbetrag verlangen, den er sich wünscht. Viele Entwickler und Firmen werden ausserstande sein, solchen Ansprüchen nachzukommen und werden aus dem Geschäft aussteigen. Steuerzahler werden zu Sozialhilfeempfängern. Und schließlich werden die Preise der übriggebliebenen Softwarefirmen ansteigen, weil sie Ihre Ausgaben für Softwarepatente refinanzieren müssen und geringerer Wettbewerb herrscht.

Das US-amerikanische Büro für Patente und Warenzeichen hat 1185 Softwarepatente registriert, welche mit „public service“ [1] zu tun haben, sowie 19 welche ausdrücklich „city council" [2] zu tun haben. Es ist nicht nötig, diese Stichwörter bei der Anwendung eines Softwarepatents zu nennen, folglich ist dies nur die Spitze des Eisbergs, und es ist zu erwarten, dass dieser stark zunimmt wenn Softwarepatente Realität werden sollten.

Mit der Einführung von Softwarepatenten müssten sich europäische Städte drastisch ansteigender Kosten und einer zunehmend schwierigeren rechtlichen Situation mit hohen Risiken für die Verwaltung bewusst sein.

Wir empfehlen Ihnen daher, mit Herrn Christian Ude, dem Bürgermeister von München, in Verbindung zu treten. Herr Ude bekam ebenfalls die schädigenden Auswirkungen von Softwarepatenten auf öffentliche Dienstleistungen zu spüren.

Sollten Sie weitere Fragen haben, oder zusätzliche Unterstützung brauchen, zögern Sie bitte nicht, mit uns Kontakt aufzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Greve
Präsident
Free Software Foundation Europe (FSFE)
fsfe.org