Abgeordnetenhauswahl Berlin 2016
Handlungsempfehlungen an die Koalitionäre von SPD, Die Grünen und Die Linke des Abgeordnetenhauses von Berlin
Berlin hat sich in den letzten Jahren in der IT-Branche zu einem wichtigen internationalen Standort entwickelt. Bereits heute profitiert die Stadt von einer wachsenden Start-Up Szene, internationalen Akteuren und Veranstaltungen zum Thema Internet, Neue Medien und Innovation. Wenn Berlin dieses Know-How weiter bündeln will, wird es höchste Zeit, dass sich diese Ambition auch in einer fortschrittlichen Hauptstadtpolitik widerspiegelt.
Am 18.9.2016 haben die Bewohner Berlins die bestehende Regierung abgewählt und damit ein Bündnis von SPD, Die Grünen und Die Linken ermöglicht. Die Free Software Foundation Europe (FSFE) wünscht zur Regierungsbildung viel Erfolg und möchte die koalierenden Parteien an ihre Gemeinsamkeiten und Chancen erinnern. Dafür hat die FSFE aus den konkretesten und übereinstimmendsten Wahlversprechen bezüglich Freier Software drei Handlungsempfehlungen abgeleitet – damit Berlin auch in den nächsten fünf Jahren eine Hauptstadt des digitalen Fortschritts bleibt.
Die folgenden Handlungsempfehlungen sind direkt aus den inhaltlichen Schnittmengen der koalierenden Parteien entnommen und haben zum Ziel die Verwaltung und Bildung Berlins zu modernisieren und sich neuen Entwicklungen zu öffnen. Zur Verwirklichung dieser Handlungsempfehlungen bietet die Free Software Foundation Europe gerne ihre Expertise und fachliche Mitarbeit an.
Handlungsempfehlungen:
- Eigenentwicklungen des Landes Berlin sowie in Auftrag gegebene Software unter einer freien Lizenz veröffentlichen.
- Entwicklung einer langfristigen Strategie um die Verwaltung Berlins auf Freie Software umzustellen.
- Die Förderung des Einsatzes von Open Educational Resources (OER) und Freier Software in den öffentlichen Bildungseinrichtungen Berlins.
Handlungsempfehlung 1: Eigenentwicklungen des Landes Berlin sowie in Auftrag gegebene Software unter einer freien Lizenz veröffentlichen.
Die FSFE begrüßt die Zusage aller aktuell an der Regierungsbildung beteiligten Parteien, dass mit öffentlichen Geldern finanzierte Software auch wieder in vollem Umfang der Allgemeinheit als Freie Software zur Verfügung gestellt werden soll. Dazu erwartet die FSFE von den regierungsbildenden Parteien, dass diese alsbald eine gesetzliche Grundlage schaffen, dass vom Land Berlin in Eigenentwicklung oder in Auftrag gegebene Software fortan unter einer freien Lizenz veröffentlicht wird.
Als einen ersten sinnvollen Schritt betrachtet die FSFE, wie von den Grünen versprochen, dass das "Berliner Haushalts, Kassen und Rechnungswesen (HKRneu)" als Freie Software implementiert wird [4]. Als ein Zwischenschritt wäre zudem eine Pilotphase denkbar, in der mindestens die Hälfte aller Neuentwicklungen unter einer Freien Software Lizenz veröffentlicht werden. Eine begleitende Evaluation würde dabei helfen ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln um fortan alle Eigenentwicklungen des Landes Berlin sowie in Auftrag gegebene Software unter einer freien Lizenz veröffentlichen.
Grundlage
- Die SPD hat in ihrem Parteitag beschlossen „Neue Software-Lösungen, welche für die Berliner Verwaltung eigens entwickelt werden, sollen dann auf freien Lizenzen aufbauen“ [5].
- Die Grünen haben im Wahlkampf attestiert, „genauso müssen Softwareentwicklungen von und für Behörden stets mit Quellcode unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden, damit alle von ihnen profitieren und sie einfach weiterentwickelt werden können“ [6].
- Die Linke verspricht „Für alle zukünftigen Beschaffungen wollen wir auf die Nutzung freier Software drängen“ [7]
Handlungsempfehlung 2: Entwicklung einer langfristigen Strategie um die Verwaltung Berlins auf Freie Software umzustellen.
Die FSFE begrüßt den Willen aller aktuell an der Regierungsbildung beteiligten Parteien, die Verwaltung Berlins langfristig auf Freie Software umzstellen. Angesichts dieser großen inhaltlichen Übereinstimmung fordert die FSFE diesen Worten nun Taten folgen zu lassen und die Grundlagen für eine nachhaltige Umstellung der Berliner Verwaltung auf Freie Software zu schaffen.
Als einen ersten sinnvollen Schritt betrachtet die FSFE dabei die Vorschläge von Grünen [1] und Linke [2] zu verwirklichen und eine Koordinierungsstelle oder gar ein “Kompetenzzentrum Open Source Software Berlin” [3] zu schaffen, um eine konzertierte Freie Software Strategie auf Landesebene bestmöglich zu unterstützen. Um größtmögliche Expertise in Betracht zu ziehen, sollte eine zu schaffende Koordinierungsstelle zudem auch die Beratung zivilgesellschaftlicher Akteure und Organisationen einholen.
Grundlage
- Die SPD hat auf ihrem Landesparteitag zum Thema „Partizipation und digitale Teilhabe in der Sozialen Stadt“ beschlossen [8] „das langfristige Ziel, eine Umstellung auf freier Open Source Software für die Verwaltung durchzuführen, wie sie beispielsweise die Stadt München seit nun mehr zehn Jahren erfolgreich betreibt“.
- Die Grünen versprechen in ihrem Wahlprogramm sie werden „den Einsatz von offener und freier Software sowie ressourcenschonender Informationstechnik (Green IT) bei hoher IT-Sicherheit zum Standard“ [9] machen.
- Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm "die öffentliche Verwaltung soll auf Open Source Software umgestellt werden". [10]
Handlungsempfehlung 3: Die Förderung des Einsatzes von Open Educational Resources (OER) und Freier Software in den öffentlichen Bildungseinrichtungen Berlins.
Die FSFE begrüßt die Übereinstimmung der entstehenden Koalition in der Förderung von Open Educational Resources (OER) und empfiehlt diese Übereinstimmung zu nutzen um von Beginn an eine nachhaltige Strategie zu verfolgen, in der die Verbreitung von OER mit der Verwendung Freier Software verknüpft wird. Die FSFE schließt sich hier der Position des Bündnis Freie Bildung an, dass eine konsequente Verwendung und Etablierung von OER nur unter Verwendung offener Lizenzen und Freier Software gedeihen kann[11].
Als einen weiteren sinnvollen Schritt betrachtet die FSFE zudem, einen Schritt weiter zu gehen und auch über OER hinaus die Verwendung Freier Software in den Bildungseinrichtungen zu fördern.
Grundlage
- Die SPD hat im Wahlkampf zugesichert: “Im Bildungsbereich setzten wir uns für freie Lehrmittel ein, die durch Lehrende und Lernende kostenfrei genutzt und verbreitet werden können.“ [12]
- Für die Grünen „müssen eine attraktive, einheitliche Lernplattform und die Förderung von Open Educational Resources Bestandteile eines Gesamtkonzeptes für digitale Bildung sein“ [13] und sie „setzen sich für den Einsatz von Open Source Software in allen öffentlichen Bereichen ein, also auch in Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen (ein)“ [14].
- Die Linke „setzt sich für ein Bund-Länder-Programm für digitale Bildung ein, das auch ein mobiles Endgerät für jedes Kind als Teil der grundständigen Bildungsausstattung fördert. Dieses sollte mit freier Software laufen. Eine massenhafte Ausstattung der Schüler*innen mit proprietärer Software lehnen wir ab“ [15].
Berlin, 27. Oktober 2016
Fußnoten:
[1]Aus dem Wahlprogramm der Grünen 2016: “Wir schaffen eine Koordinierungsstelle im Senat, die den digitalen Aufbruch politisch steuert und die einsamen Pilotprojekte der einzelnen Senatsverwaltungen zusammenführt, vernetzt und massiv ausbaut.”
[2] Aus den Wahlprüfsteinen der Koalition Freies Wissen: “DIE LINKE. Berlin will zudem eine konzertierte Open-Source-Strategie auf Landesebene, die durch eine koordinierende Stabsstelle unterstützt wird.”
[3] Siehe Offene, freie und zukunftsorientierte IT-Strategie mit Open-Source-Software (OSS) für das Land Berlin, Drucksache 17/0853, Seite 1.
[4] Siehe Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen.
[5] Beschluss vom Parteitag der SPD vom 27.10.2012: https://www.spd.berlin/w/files/spd-parteitage/beschluss-lpt-27.10.2012-partizipation-und-digitale-teilhabe-in-der-sozialen-stadt.pdf
[6] Siehe Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen.
[7] Siehe Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen.
[8] Beschluss vom Parteitag der SPD vom 27.10.2012: https://www.spd.berlin/w/files/spd-parteitage/beschluss-lpt-27.10.2012-partizipation-und-digitale-teilhabe-in-der-sozialen-stadt.pdf
[9] Aus dem Wahlprogramm der Grünen 2016
[10] Aus dem Wahlprogramm der Linken 2016
[11] Siehe Positionspapier des Bündnis Freie Bildung: http://buendnis-freie-bildung.de/positionspapier-oer/
[12] Siehe Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen.
[13] Siehe Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen.
[14] Siehe Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen.
[15] Siehe Wahlprüfsteine der Koalition Freies Wissen.