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Stellungnahme der FSF Europe zu Softwarepatenten

Brief an das Bundesjustizministerium
von Georg Greve, Präsident der FSF Europe.

Betrifft: Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen vom 20. Februar 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach sorgfältiger Lektüre des Richtlinienvorschlags teile ich Ihnen im Namen von Free Software Foundation Europe und des GNU-Projekts mit, daß wir dem Vorschlag außerordentlich kritisch gegenüberstehen.

Unabhängig von den öffentlich gewordenen Zweifeln an dem Prozeß, der zur Erstellung des Dokuments geführt hat1, sowie seiner mangelnden ``juristisch-handwerklichen'' Qualität2 stellt die Patentierung von abstrakten Software-Ideen3 generell eine nicht unerhebliche Schädigung von Wirtschaft, Forschung und Lehre dar. Dies ergibt sich eindeutig aus den auf diesem Gebiet vorhandenen Studien. Ein Nutzen der Software-Patentierung konnte jedoch im Gegenzug auch in Ländern, die diese bereits längere Zeit praktizieren, bisher nicht festgestellt werden.

Standortpolitisch ist vielmehr zu erwarten, daß Europa gegenüber den USA und Japan durch einen derartigen Entwurf stark geschwächt und in seiner Entwicklung zur Informationsgesellschaft diesen gegenüber nachhaltig behindert wird.

Auch für Freie Software4, die üblicherweise stark dezentral entwickelt wird, stellt die Patentierung von Software ein ernstzunehmendes Problem und einen Innovationshemmschuh dar.

Dies ist besonders schädlich, wird doch Freie Software zunehmend auch von den europäischen Regierungen als ein Weg verstanden, die Grundlage zur von Europa angestrebten ``Wissensökonomie'' zu schaffen.

Bereits heute hat Freie Software eine Schlüsselposition in vielen Kerngebieten der sogenannten ``informationellen Infrastruktur'' inne. Ein Beispiel hierfür ist das Internet, das ohne Freie Software nicht denkbar wäre. Doch auch der Zugang der Bevölkerung zu vertrauenswürdiger elektronischer Kommunikation basiert zunehmend auf Freier Software.

Nach Einstellung des Supports für das ``PGP'' Programm ist ``GnuPG'' die einzig unterstützte Implementation des ``Pretty Good Privacy'' Standards OpenPGP -- auch GnuPG ist Freie Software. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat ebenfalls eine Freie Software Implementierung für ihren SPHINX-Standard in Auftrag gegeben.

Darüberhinaus offeriert Freie Software Eigenschaften wie Nachhaltigkeit, Effizienz, Stabilität, Freiheit des Marktes und Schutz vor Monopolen, was in Kombination mit der gesellschaftlichen Relevanz der Informationstechnologie u.A. auch die Unabhängigkeit der Demokratie sichert.5

Einen Weg einzuschlagen, dessen Nutzen auch nach mehrjähriger Praxiserfahrung nicht belegbar ist und auch in der Theorie bezweifelt wird, dessen Schaden jedoch deutlich zu Tage tritt, kann nach unserem Verständnis nicht im Interesse von Deutschland oder Europa sein.

Wir empfehlen daher den Vertretern der deutschen Regierung, diesen Entwurf als unzureichend abzulehnen.

Es sollte darauf gedrängt werden, von kompetenter, europäischer Seite einen Entwurf erstellen zu lassen, der die bereits fortgreifende Patentierungspraxis wieder in die für Wirtschaft, Forschung und Lehre sinnvollen Grenzen verweist.

Mit freundlichen Grüßen,
Georg Greve
FSF Europe, Präsident


1 http://www.linux-verband.de/nachrichten/allgemein/20020228102108
2 Meldung vom 11.3.2002 auf http://www.ifross.de
3 In diesem Entwurf als "computerimplementierte Erfindungen" tituliert.
4 Anm.: Teilweise auch als "Libre Software" oder "Open Source Software" bezeichnet.
5 Siehe hierzu beispielsweise die Begründung der Entscheidung des deutschen Bundestags, serverseitig das auf Freier Software basierende GNU/Linux-System einzusetzen.