Bundes-CIO wagt Schritt zu IT-Souveränität
Klarstellung: Marktstandards sind keine proprietären Standards
Staatsministerin Cornelia Rogall-Grothe, IT-Beauftragte der Bundesregierung, sagte im Interview mit der Zeitschrift C't (C't 2010 Heft 15, S. 150-51), dass die Bundesregierung „nur mit offenen Standards weitestgehend Herstellerunabhängigkeit erreichen und damit Risiken vermeiden [kann]". Außerdem sei „mit offenen IT-Standards ein Höchtsmaß an Interoperabilität [erreichbar]".
Für Rogall-Grothe muss ein Standard erstens vollständig publiziert werden, zweitens uneingeschränkt und dauerhaft genutzt und drittens nicht durch rechtliche Bestimmungen beschränkt werden dürfen. „Die Bundesregierung unterstreicht damit: Ein Standards ist nur ein Standard, wenn auch Freie-Software-Unternehmen ihn ohne rechtliche oder technische Hindernisse umsetzen dürfen", sagt Matthias Kirschner, Deutschlandkoordinator der FSFE.
Des Weiteren stellt Rogall-Grothe klar: Mit Marktstandards sind keineswegs Standards gemeint, welche den Markt bereits dominieren. „Der Begriff Marktstandards wird im IT-Staatsvertrag als Gegenbegriff zu den von der öffentlichen Verwaltung selbst entwickelten Standards genutzt und nicht als Gegenbegriff zu offenen Standards", so die Staatssekretärin. Verbindliche Standards sollen in Zukunft aber nur Offene Standards sein. Der Begriff „Marktstandard" wird oft gegen Offene Standards und Freie Software verwendet. So rechtfertigte die sächsische Landesregierung im Mai ihren Einsatz von proprietären Standards damit, dass der IT-Staatsvertrag Marktstandards fordere. Bereits im April kritisierte die FSFE diese Formulierung und bat die Bundes-CIO um eine Klarstellung. Rogall-Grothe zeigt mit ihrer Aussage: Der Begriff „Marktstandards" rechtfertigt keineswegs den Einsatz proprietärer Standards in Behörden!
„Offene Standards in der öffentlichen Verwaltung sind der Schlüssel zur IT-Souveränität", begrüßt Karsten Gerloff, Präsident der Free Software Foundation Europe, die Äußerungen von Rogall-Grothe. „Sie stellen sicher, dass es unser Staat und seine Bürger sind, die letztlich die Kontrolle über unsere IT-Infrastruktur haben".
Mit der im Mai veröffentlichten Digitalen Agenda setzt auch die Europäische Kommission zunehmend auf Offene Standards, auch wenn immer wieder Rückschritte drohen. Die FSFE fordert Rogall-Grothe nun dazu auf, Deutschlands Einfluss in Europa geltend zu machen und dafür zu sorgen, dass die neue Version des European Interoperability Framework (EIF) eine starke Definition Offener Standards enthält.
Um ein Offener Standard zu sein, müssen Formate oder Protokolle die folgenden "AEIOU"-Kriterien erfüllen:
- aufbauend auf anderen Offenen Standards,
- existieren in mehreren Umsetzungen
- implementierbar ohne rechtliche oder technische Hindernisse
- offengelegt und daher für alle verfügbar
- unabhängig von einem einzelnen Unternehmen