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AVM verletzt die Lizenz des Linuxkernels

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Linuxkernel im Mittelpunkt eines Kampfs um die Kontrolle über Embedded-Geräte

Berlin, 20. Juni: Morgen, am 21. Juni, findet am Landgericht Berlin die Anhörung zu einem Rechtsstreit statt, der weitreichende Konsequenzen über die Zukunft der Entwicklung und des Vertriebs von Software haben könnte. In diesem Verfahren stehen sich gegenüber, der Vertreiber von DSL-Routern AVM Computersysteme Vertriebs GmbH (AVM) und die Cybits AG (Cybits), ein Hersteller von Filterungssoftware für Kinder. Beide Firmen benutzen den Linuxkernel, der unter der GNU General Public License Version 2 (GNU GPL) steht, die jedermann das Recht gibt, die Software zu verwenden, zu verstehen, zu verteilen und zu verbessern.

Der Fall wurde von AVM mit dem Ziel vor Gericht gebracht, Cybits davon abzuhalten jegliche Teile der Firmware zu ändern, die in den Routern von AVM Verwendung finden, einschließlich des Linuxkernels. Die Free Software Foundation Europe (FSFE) und gpl-violations.org sehen AVMs Vorgehen als breiten Angriff auf die Prinzipien Freier Software und damit auf tausende von Menschen und Unternehmen, die Freie Software entwickeln, verbessern und verbreiten.

„Ich habe mich entschieden, meinen Beitrag zum Linuxkernel unter die GNU GPL zu stellen und andere von meiner Arbeit profitieren zu lassen. Es freut mich, wenn Firmen viel Geld mit Software verdienen, die von mir und tausenden anderen geschrieben wurde. Im Gegenzug erwarte ich aber von ihnen, dass sie, wenn sie meine Software weiterverteilen, anderen die selben Rechte geben, die ich ihnen eingeräumt habe“, sagt Harald Welte, Gründer von gpl-violations.org, der das Urheberrecht an mehreren Teilen des Linuxkernels hält.

Das aber ist genau das, was AVM versuchte zu vermeiden, als sie 2010 zwei Klagen gegen Cybits einbrachten. AVM behauptete, dass wenn ihre Kunden die Filtersoftware von Cybits auf ihren Routern installieren, die Firmware der Router verändert und damit das Urheberrecht von AVM verletzt wird. Aus der Sicht von AVM ist nicht einmal die Veränderung der Komponenten der Firmware, die dem Linuxkernel entstammen, erlaubt. Das Berliner Berufungsgericht wies dieses Argument in seiner Entscheidung über den Antrag auf eine einstweilige Verfügung im September 2010 zurück, nachdem Harald Welte in dem Fall interveniert hatte. Nun muss das Landgericht Berlin nochmals in diesem Fall entscheiden, diesmal in einem Hauptsacheverfahren.

„Dieser Fall hat weitreichende Konsequenzen für die Zukunft Freier Software und der GNU GPL. Die GNU GPL ist eine rechtliche Lizenz, die von den ursprünglichen Autoren der Software festgelegt wurde. Diese Bestimmungen sind nicht optional“, sagt Till Jaeger von JBB Rechtsanwälte, der Herrn Welte in dem Fall vertritt.

Wenn AVM anderen verbieten könnte, die Freiheiten wahrzunehmen, die von den Lizenzbestimmungen der GNU General Public License explizit eingeräumt werden, würde das den Rechten der ursprünglichen Autoren der Programme direkt widersprechen. Diese haben entschieden, dass die Freiheit von Software und die Zusammenarbeit für sie wichtiger ist als Lizenzgebühren. Zusätzlich hätte dies signifikante Auswirkungen auf Unternehmen und die Wirtschaft im Allgemeinen. Erstens gäbe es Geräteherstellern die Möglichkeit, Software von Drittanbietern auf ihren Geräten zu verbieten, was zu schlechteren Produkten für den Endanwender und einem „Lock-In-Effekt“ führt. Zweitens gäbe es Firmen wie AVM einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber ihrer Konkurrenz. Drittens würde es das kooperative Softwareentwicklungsmodell bedrohen, das derzeit erfolgreich von vielen Firmen auf der ganzen Welt eingesetzt wird.

„AVM greift direkt die Grundlagen Freier Software an: Sie wollen anderen die Freiheit entziehen. Wir müssen handeln, wenn eine Firma andere dafür verklagt, dass sie ihr Recht wahrnehmen, die Software zu verändern. Das Verhalten von AVM kann nicht toleriert werden. Wenn sie vor Gericht erfolgreich wären, wäre das katastrophal für den globalen Markt für Embedded-Geräte wie Telefone, Netzwerkhardware und andere linuxbasierte Produkte“, sagt Matthias Kirschner, Deutschlandkoordinator der FSFE.

„Ironischerweise verletzt AVM selbst die Lizenzbestimmungen, indem sie andere daran hindern, die von der GNU GPL gewährten Rechte wahrzunehmen. Sie haben daher kein Recht mehr, die Software zu verbreiten“, sagt Till Jaeger.

Die FSFE und gpl-violations.org fördern die Verwendung Freier Software durch Unternehmen und Entwickler, indem sie Lizenzierung und Lizenz-Konformität so einfach wie möglich machen. Es ist für gewöhnlich wesentlich einfacher, Freie-Software-Lizenzen zu befolgen als EULAs und andere Lizenzabkommen unfreier Software. Oftmals ist es ausreichend, eine Kopie des Lizenztextes der GNU GPL zur Dokumentation hinzuzufügen und das Angebot, den Quelltext zur Verfügung zu stellen zu unterbreiten (siehe dazu die Tipps der FSFE zur Lizenzeinhaltung).