Public Money, Public Code: München - ein Schritt zurück, zwei Schritte vor
Vor mehr als zwei Jahren hat München die bis dahin verfolgte Strategie aufgegeben, mittels Freier Software und GNU/Linux eine unabhängige IT-Infrastruktur aufzubauen, und hat sich erneut in die Abhängigkeit proprietärer Software begeben. Wir haben diesen Prozess genau verfolgt und erläutern hier, was sich seitdem in München und dem Rest Europas getan hat. Ist es uns gelungen in den letzten zwei Jahren unabhängiger zu werden und unsere eigene IT besser zu kontrollieren oder hat sich die Abhängigkeit von Monopolen weiter verstärkt?
Rückblick
Vor 13 Jahren, als die Stadtverwaltung von München die nicht mehr unterstützten Windows-NT-Arbeitsplätze ablösen musste, wurde das LiMux-Projekt begonnen. 15000 Arbeitsplätze wurden mit herstellerunabhängiger Freier Software ausgerüstet und auf offenen Standards basierende Dateiformate wurden eingeführt. Diese Migration wurde von regionalen IT-Anbietern durchgeführt und unterstützt. Diese Initiative hat beispielhaft zu mehr Unabhängigkeit geführt und die lokale IT-Industrie gefördert.
Doch dann verschlechterte sich die Situation. 2014 koalierte die SPD mit der CSU und Dieter Reiter von der SPD wurde zum neuen Bürgermeister gewählt. Die neue Koaltion stellte die LiMux-Strategie bald in Frage und Accenture (eine Microsoft-Partnerfirma, die an der gleichen Adresse wie Microsoft Büros unterhält) wurde beauftragt, Münchens IT-Infrastruktur zu untersuchen. Der Bericht wurde veröffentlicht. Trotz der engen Zusammenarbeit zwischen Accenture und Microsoft machten die Analysten hauptsächlich organisatorische Mängel für die Schwierigkeiten beim LiMux-Projekt verantwortlich; technische Probleme spielten keine wesentliche Rolle.
Dennoch und zur Überraschung aller Beteiligten legte der Stadtrat mit nur minimalem Vorlauf einen Beschluss vor, der das Ende von LiMux besiegeln sollte.
Damals hatten wir und andere unabhängige Beobachter festgestellt, dass LiMux organisatorische Mängel aufwies (dazu gehörten unklare Führungsstrukturen und Verantwortlichkeiten), ein Befund, den das Accenture-Gutachten bestätigte. Die Probleme wurden nicht durch die Software auf den Arbeitsplatzrechnern verursacht. Der Wechsel des Betriebssystems würde keine Besserung bringen.
Der heutige Stand
Der Wechsel zurück zu proprietärer Software ist in München immer noch im Gange. Die gesamte Umstellung wird die Münchener Bürger in den nächsten sechs Jahren fast 90 Millionen Euro kosten. Währenddessen bemühen sich viele Städte in Deutschland und in ganz Europa um mehr Unabhängigkeit. Der Einsatz von Freier Software in der öffentlichen Verwaltung ist kein Strohfeuer. In den letzten Jahren konnten wir in den öffentlichen Verwaltungen einen Bewusstseinswandel beobachten: Im Einkauf von Hard- und Software werden zunehmend langfristige, strategische Gesichtspunkte berücksichtigt.
Freie Software unterstützt Regierungen und Verwaltungen bei unterschiedlichen schwierigen Aufgaben, von demokratischer Regierungsarbeit bis zur Planung von Maßnahmen bei Naturkatastrophen. Manche der Softwarepakete werden nicht nur international genutzt, sondern sogar international entwickelt. Populäre Projekte, wie zum Beispiel Consul, GNU Health, X-Road oder CKAN, beweisen das internationale Potenzial Freier Software für Zusammenarbeit. Die deutsche Regierung hat beschlossen, eine eigene Cloud-Lösung (Bundescloud) auf Basis Freier Software aufzubauen. 300000 Beamte und Verwaltungsangestellte in weiteren Behörden sollen auf diese staatliche Cloud zugreifen können. Die französische Regierung hat beschlossen, ein landesweites Messenger-Netzwerk auf Basis Freier Software zu installieren. Diese und viele weitere Beispiele belegen, dass öffentliche Verwaltungen sich in ganz Europa um Unabhängigkeit ihrer IT-Landschaft bemühen. München jedoch hat sich, obwohl es zuerst ein Leuchtturmprojekt war, dazu entschlossen zurückzurudern und nicht auf den gewonnenen Erkenntnissen und der angeschafften Freien Software aufzubauen.
Um Regierungen und Verwaltungen dabei zu unterstützen zu Freier Software zu migrieren, hat die Free Software Foundation Europe die "Public Money? Public Code!"-Kampagne ins Leben gerufen, die auf großes Interesse stößt. Die Initiative fordert die Einführung von Regeln, die dafür sorgen sollen, dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Software auch unter Freie Lizenzen gestellt werden müssen. Wenn die Öffentlichkeit diese Software finanziert, sollte die Öffentlichkeit diesen Code auch nutzen können.
Wir haben eine Broschüre erstellt, in der wir mit unserer langjährigen Expertise und mit Hilfe von führenden Experten in der IT-Branche Freie Software und ihre Vorteile und den Nutzen für die moderne, digitale öffentliche Infrastruktur erklären. Bitte unterstützen Sie diese Kampagne! Teilen Sie unsere Videos (erhältlich in vielen Sprachen). Und - falls Sie das noch nicht getan haben - unterzeichnen Sie unseren offenen Brief.