FSFE Lokalgruppe Zürich erhält DINAcon Award
2019 hat die Lokalgruppe Zürich der FSFE die Kampagne "Lernen wie die Profis" ins Leben gerufen. Ziel der Kampagne ist es Lösungen für den Einsatz Freier Software in der Bildung zu präsentieren. Jüngst wurde die Kampagne mit dem DINACon Award prämiert. Dazu haben wir die Koordinatoren Ralf Hersel und Gian-Maria Daffré interviewt.
Im Bildungsumfeld kommt leider immer noch verstärkt unfreie Software zum Einsatz. Unfreie Software bietet Schülerinnen und Lehrpersonen jedoch keine Möglichkeit, die Funktionsweise und Grundsätze der eingesetzten Software zu studieren und anzupassen. Um die digitale Mündigkeit und Souveränität der Schülerinnen und des Lehrpersonals hingegen zu fördern sollte konsequent auf Freie Software in der Bildung gesetzt werden. Um diesem Ziel ein Stück näherzukommen hat die FSFE Lokalgruppe Zürich sich dem Thema mit einer eigenen Kampagne namens "Lernen wie die Profis" angenommen. Inhalt der Kampagne sind Argumente und Hintergründe rund um den Einsatz Freier Software im Bildungsumfeld - kombiniert mit konkreten Lösungs- und Softwarevorschlägen.
Jüngst hat die Kampagne den DINAcon Special Award 2020 gewonnen. Damit wurde die Kampagne ausgezeichnet, aber zugleich auch das lokale Engagement der Zürcher FSFE-Gruppe. Wir haben diese Auszeichnung zum Anlass genommen, die Kampagne vorzustellen durch ein Interview mit den lokalen Koordinatoren Ralf Hersel und Gian-Maria Daffré ("Giammi").
Ralf Hersel ist seit 2015 mit dabei, als sich die Gruppe Tuxeros mit der FSFE-Lokalgruppe Zürich zusammengeschlossen hat. Seit 2020 ist er Koordinator der Gruppe.
Gian-Maria Daffré ("Giammi") ist auch seit 2015 Mitglied der Lokalgruppe Zürich, ist dort Vize-Koordinator und zugleich Koordinator des Schweizer Teams.
FSFE: 2020 ist ein Jahr, in dem elearning und digitaler Fernunterricht weltweit an Einsatz und Verbreitung zugenommen haben. Ist diese Entwicklung zu begrüßen und inwieweit haben diese Entwicklungen Einfluss auf die individuelle digitale Souveränität der Schülerinnen und Schüler genommen?
Ralf und Giammi: "Begrüssen" ist wohl das falsche Wort für die Umstände, die sich durch die Pandemie ergeben haben. Wir würden es eher als eine von der Realität geforderte Notwendigkeit bezeichnen. E-Learning gab es bereits vorher, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie wir es zurzeit sehen. Durch die Verschiebung vom physischen in den digitalen Raum hat die Bedeutung der digitalen Souveränität enorm zugenommen. Sowohl Lernende als auch Lehrende sind mit einer Situation konfrontiert, auf die sie im aktuellen Ausmaß nicht vorbereitet waren; weder mental noch technisch.
"Unsere Aufgabe ist es, digitale Souveränität als wesentliches Kriterium für selbstbestimmtes Entscheiden und Handeln zu etablieren."
Der Begriff und die Bedeutung von "digitaler Selbstbestimmung" ist noch lange nicht im Bewusstsein der Betroffenen angekommen. Davon zeugt leider auch die Beliebtheit von proprietären Applikationen wie Zoom und Microsoft Teams. Unsere Aufgabe ist es, digitale Souveränität als wesentliches Kriterium für selbstbestimmtes Entscheiden und Handeln zu etablieren.
Passend dazu hat die FSFE Lokalgruppe Zürich die Kampagne "Lernen wie die Profis" ins Leben gerufen "um den Einsatz Freier Software an Schulen und Universitäten zu fördern". Was genau beinhaltet das Konzept von "Lernen für die Profis"?
Die Kampagne "Lernen wie die Profis" hat drei Ziele:
- Informieren über die Bedeutung von digitaler Souveränität an Bildungseinrichtungen.
- Konkrete Lösungen für den Einsatz von Freien Systemen in der Bildung aufzeigen.
- Positive Beispiele nennen, bei denen Schulen und Universitäten die Herausforderung angenommen haben und eine erfolgreiche Transformation hin zu Freier Software vollzogen haben.
Ist die Kampagne speziell auf das Schweizer Publikum zugeschnitten oder ist das gesammelte Wissen allgemeingültig?
Bei der FSFE Lokalgruppe Zürich denken wir sowohl lokal als auch global. Die Ausrichtung hängt vom Zielpublikum ab. So adressiert beispielsweise eine unserer Kampagnen, "Freedomvote", den politischen Prozess in der Schweiz. Auch unsere Teilnahme an Schweizer Events, wie Informatiktage Zürich, Open Education Day, DINAcon oder unsere Schulungsreihe "Selfhosting" bei DigiComp fokussieren auf den Schweizer Markt. Die Kampagnen "Fotobuch" und "Lernen wie die Profis", sowie der News-Kanal GNU/Linux.ch sind auf die europäische, bzw. deutschsprachige Gesellschaft ausgerichtet.
"Alle waren von der positiven Kraft des Namens überzeugt."
Wie seid ihr auf die Kampagne gekommen, gab es eine Initialzündung und wie hat die Umsetzung funktioniert?
Die Idee, Bildungseinrichtungen anzusprechen, gärte bereits seit einigen Jahren in unseren Köpfen. Es wurden verschiedene Ideen diskutiert, ausprobiert und verworfen. Ein wichtiger Meilenstein war die Entscheidung des CERN, sich von Microsoft abzuwenden und vermehrt auf Freie Software zu setzen. Dieses Ereignis brachte Ralf auf die Idee, die Kampagne "Lernen wie die Profis" (#LwdP) zu nennen. Wir haben das im Team abgestimmt und alle waren von der positiven Kraft des Namens überzeugt. LwdP spricht den Forschergeist bei Schülerinnen und Studierenden an. Wenn Profis Freie Software einsetzen, wollen Lernende das auch.
Die FSFE lokalgruppe Zürich hat jüngst sogar den DINAcon-Award für die Kampagne bekommen. Was bedeutet diese Auszeichnung für euch bzw für das Projekt?
Da es in der Award-Kategorie "Open Education" nur eine Nomination gab, hat es uns sehr gefreut, dass die DINAcon extra für uns eine neue Kategorie geschaffen hat, den "Special Award". Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung, weil es die erste überhaupt ist und weil wir damit eine Wertschätzung und Unterstützung erhalten, die wir als Belohnung für unsere Arbeit gut gebrauchen können. Es ist eine große Motivation für die geleisteten und zukünftigen Anstrengungen in dieser FSFE-Kampagne.
Gibt es Erfahrungen und Lehren die du mit anderen teilen möchtest? Vielleicht gerade auch im Blick auf andere Lokalgruppen der FSFE die ähnliche Projekt planen?
Es gibt viele Erfahrungen und Lehren, die wir aus diesem Projekt ziehen können. Zum einen haben wir viele gleichgesinnte Initiativen kennengelernt, wie zum Beispiel das Engagement von Digitalcourage für Freie Software an Schulen. Gerade im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung in Baden-Württemberg, waren wir erstaunt über den Einsatz der Zivilgesellschaft für digitale Souveränität an Schulen.
Insbesondere auf dem News-Portal GNU/Linux.ch, das durch Ralf und Lioh betreut wird, gab es viele hilfreiche Diskussionen und Ideen zu diesem Thema. Neben den vielen positiven Erfahrungen können wir auch ein bedenkliches Fazit aus der FSFE-Kampagnenarbeit ziehen. Die Metapher der wenigen und müden Freie Software Entwickler, trifft auch auf die Projektarbeit zu.
Hintergrund: Die FSFE Lokalgruppe Zürich existiert seid 2010. Aktuelle Koordinatoren sind Ralf Hersel mit Gian-Maria Daffré als Vize-Koordinator. Vor der in diesem Artikel vorgestellen Kampagne "Lernen wie die Profis" hat die Gruppe bereits die Kampagne Freedomvote ins Leben gerufen. Die Gruppe trifft sich an jedem zweiten Donnerstag im Monat. Üblicherweise in der Digitalagentur Liip in Zürich, aktuell online über Big Blue Button. Wenn du nun Lust bekommen hast mitzumachen, schau doch mal vorbei.
Wenn du nicht in Zürich wohnst und nun Lust bekommen hast dich aktiv in einer Lokalgruppe der FSFE einzubringen, dann schau doch nach ob es auch eine Gruppe in deiner Stadt gibt. Oder bring dich auf unserer deutschsprachigen Mailingliste ein. Und unterstütze gerne unseren Verein mit einer kleinen Spende.