Apple behauptet, "die Interoperabilität des DMAs verstößt gegen die Grundrechte“. Die FSFE ist da anderer Meinung. Wenn Sie auch der Meinung sind, dass Interoperabilität der Schlüssel zur Softwarefreiheit ist unterstützen Sie uns noch heute!

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"Freie Software"

(a.k.a. "Libre Software" oder "Open Source")

Auf der PrepCom3 wurde häufiger die Forderung nach einem Referenzdokument über die Rolle Freier Software auf dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft laut. Dieses Dokument versucht eine solche Referenz darzustellen.

Das "Frei" in dem Begriff Freie Software bezieht sich auf Freiheit, nicht auf den Preis. Der Begriff wurde seit den 80er Jahren in diesem Verständnis genutzt, und die erste komplette und dokumentierte Definition scheint das GNU Bulletin, Vol 1 Nr. 1, zu sein, veröffentlicht Februar 1986. Im Besonderen definieren vier Freiheiten Freie Software:

Bei all diesen Freiheiten handelt es sich um Rechte, nicht um Verpflichtungen, auch wenn der Respekt vor diesen Freiheiten für die Gesellschaft manchmal eine Verpflichtung für einen Einzelnen zur Folge haben kann. Jede Person kann sich dazu entschließen, nicht von ihnen Gebrauch zu machen, Sie könnte sich aber auch dazu entschließen alle Freiheiten zu nutzen. Speziell sollte hier verstanden werden, dass Freie Software eine kommerzielle Nutzung nicht ausschließt. Wenn ein Programm kommerzielle Nutzung und kommerziellen Vertrieb nicht erlaubt, handelt es sich dabei nicht um Freie Software. In der Tat bauen immer mehr Unternehmen ihre Geschäftsmodelle komplett oder zumindest zum Teil auf Freier Software auf, einschließlich ein paar der größten proprietären Softwareanbieter. Freie Software ermöglicht es, Hilfe und Unterstützung anzubieten, sie verpflichtet aber nicht dazu.

Terminologie

Englisch scheint die einzige Sprache zu sein, in der eine solch große Doppeldeutigkeit zwischen Freiheit und Preis besteht. Wenn man den Begriff in andere Sprachen übersetzt, wird aus Freier Software "logicel libre" im Französischen, "software libre" im Spanischen, "software libero" im Portugisischen, "Fri Software" im Dänischen oder was auch immer der vergleichbare Begriff in der jeweiligen Sprache für Freiheit sein mag.

Open Source

Am 03. Februar 1998, im Gefolge von Netscapes Ankündigung, ihren Browser als Freie Software der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, traf sich eine Gruppe von Leuten in Palo Alto im Silicon Valley und schlug vor, eine Marketing-Kampagne für Freie Software unter Nutzung des Ausdrucks "Open Source" zu starten. Das Ziel war es, eine schnelle Kommerzialisierung und Akzeptanz für Freie Software bei den Unternehmen und Großkapitalisten der neuen Ökonomie zu finden. Um dieses Ziel zu erreichen, beschlossen sie, gewissenhaft alle langfristigen Punkte (wie Philosophie, Ethik und soziale Effekte), die mit Freier Software verbunden sind, beiseite zu lassen, fühlten sie doch, dass dies Hindernisse auf dem Weg zur schnellen Akzeptanz seitens der Wirtschaft sein würden. Sie schlugen vor, sich nur auf den technischen Fortschritt zu konzentieren.1

Manche Leute, die auf die Werte "Freier Software" verweisen wollen, benutzen oft in gutem Glauben den Begriff "Open Source" - er definierte anfänglich das gleiche wie "Freie Software" wenn es um Lizenzen und Implementierung ging. Er wurde jedoch seitdem inflationär benutzt. Heutzutage wird er für alles verwendet, zwischen "Freier Software" und dem hochgradig proprietären "Governmental Security Program" (GSP), von Microsoft.2

Libre Software

Als die Europäische Kommission anfing, Freie Software auf regulärer Basis zu nutzen, suchte sie nach einer Möglichkeit, der Doppeldeutigkeit des englischen Wortes "Free Software" und den Missverständnissen des Begriffes "Open Source" aus dem Weg zu gehen, was zu der Einführung eines dritten Begriffes führte, der seit 1992 gelegentlich aufkommt: "Libre Software". Dieser Begriff stellte sich als wiederstandsfähig gegenüber einem inflationären Gebrauch heraus und wird immer noch als Synonym für Freie Software genutzt. Er stellt also eine Lösung für diejenigen dar, die Angst haben, missverstanden zu werden, wenn sie englisch sprechen.

Entwicklung

Wenn man an Freie Software denkt, so sollte man sie als umfassendes Konzept für eine vertrauenswürdige, nachhaltige und zuverlässige Informations- und Wissensgesellschaft sehen, die alle Interessengruppen einbezieht.

Den Preis, den wir für die Vorherrschaft von propriäterer Software zahlen, ist hoch, da das Paradigma hinter propriätärer Sofware über eine starke, dem System inhärente Monopolisierungstendenz verfügt 3 und Software alle Gebiete der Wirtschaft beeinflusst. Deswegen leidet die Wirtschaft der nördlichen Hemisphäre, und die südlichen Länder haben die Wahl zwischen Ausschluss oder aber Mitleiden in einer totalen Abhängigkeit. Das ist der Grund, warum eine Zerschlagung von Microsoft ohne eine Änderung des Paradigmas keine sichtbare Veränderung der Situation herbeiführen würde. Freie Software andererseits bringt den Wettbewerb zurück, während sie gleichzeitig Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen, Menschen und Regierungen erlaubt, und das für alle Menschen gleichermaßen verfügbar und nutzbar.

Während Minderheiten immer auf den guten Willen großer multinationaler Unternehmen angewiesen sind, wenn es sich um die Unterstützung ihrer Kultur und Sprache bei propriäterer Software handelt, gibt ihnen Freie Software die Möglichkeit, sie ihren Bedürfnissen anzupassen. Deswegen erlaubt Freie Software es, eine bewährte lokale Hard- und Softwareindustrie aufzubauen, die unabhängig von Monopolen und multinationalen Konzernen ist. Natürlich ist eine Kooperation mit großen Unternehmen möglich und könnte auch hilfreich sein, aber während Abhängigkeit der Preis ist, den man bei propriäterer Software zahlen muss, bietet Freie Software hierbei Unabhängigkeit.

Gleichberechtigung

Die Gestaltung, Entwicklung und Verwendung von Software ist in allen Gesellschaftsschichten steigend. Zunehmend bestimmt auch der Zugang zu Software über unsere Möglichkeiten der Bildung, Kommunikation, Arbeit und sogar Sozialkontakte. Dies beinhaltet die Bildung von sozialen Bewegungen, die Förderung der Bürgerrechte und die Förderung einer transparenten Demokratie ebenso wie alle staatlichen und gesundheitlichen Dienstleistungen.

Software ist in der Gesellschaft der nördlichen Hemisphäre bereits stark verwurzelt, und wenn die Entwicklungsstrategien erfolgreich sind, wird das auch zu irgendeinem Zeitpunkt für die südlichen Länder gelten. Darum sollte Software als eine Kulturtechnik angesehen werden, manchmal sogar als ein Kulturgut.

Für alle Kulturtechniken gilt, dass wir uns fragen müssen, wer über sie die Kontrolle ausüben sollte. Bei proprietärer Software sind das große multinationale Unternehmen der nördlichen Halbkugel.4 Freie Software sorgt hingegen dafür, dass die kulturelle Technik allen gleichberechtigt verfügbar ist.

Menschenrechte

Für Menschen mit Zugang zum Internet - und wir hoffen, dass das irgendwann alle Menschen umfassen wird - gilt, dass die Menschenrechte der Mitwirkung an der Kultur und der Rede- und Meinungsfreiheit von der Kontrolle und der Verwendung von Software beeinflusst werden, wie auch Versammlungsfreiheit und Bewegungsfreiheit. Software bildet das Medium. Ganz im Gegensatz zur propriäteren Software gibt Freie Software jeder Person die volle Kontrolle über ihren persönlichen Informationsraum. Auch wenn das noch nicht ausreicht, um die Privatsphäre und Sicherheit zu gewährleisten, ist es eine notwendige Voraussetzung.

Technokratie verhindern - Demokratie erhalten

Gesetze sollten durch Repräsentanten entwickelt werden, die demokratisch in einer transparenten Wahl gewählt wurden. Auch in Situationen, in denen dies zutrifft, werden Rechte, die nicht ausgeübt werden können, ungenützt bleiben. Nur weil Rechte auf dem Papier garantiert sind, heißt das noch lange nicht, dass Menschen sie auch ausüben können.

Schon allein die Komplexität von modernen Systemen, aber vor allem auch die Undurchsichtigkeit von proprietärer Software macht es schwierig und unmöglich, die Demokratie auf digitalem Gebiet aufrecht zu erhalten. Außer bei Freier Software hängen die Möglichkeiten, bestimmte Rechte ausüben zu können oder eben nicht ausüben zu können, vom Anbieter der proprietären Software ab - es ist die alleinige Entscheidung des Anbieters, und dieser Entscheidung wird heute oft Vorrang vor demokratischen Grundregeln gegeben.

Gute Beispiele hierfür sind die European Copyright Directive (EUCD) und das Digital Millennium Copyright Act (DMCA), sie sind beide Anwendungen des "World Intellectual Property Organization (WIPO) Copyright Treaty" vom Dezember 1996. Während der DMCA in den Vereinigten Staaten schon einen schlechten Ruf gewonnen hat, da er möglich machte, Scientologykritische Seiten zu zensieren5, macht die deutsche Ausformung der EUCD das Recht auf angemessene Nutzung unerreichbar. Auch wenn das Gesetz deutlich festlegt, dass ein Verbraucher das Recht hat, eine CD für seinen eigenen Gebrauch in der Autostereoanlage oder für einen Freund zu kopieren, laufen die, die dieses Recht an einer kopiergeschützten CD oder an einer DVD ausüben, Gefahr, sich einer Bestrafung auszusetzen. Und wenn Sie jetzt glauben, dass das alles ist, dann empfehlen wir Ihnen, das EFF-Papier über das sogenannte "Trusted Computing" (TC) zu lesen.

Proprietäre Software bringt einen Bereich, der vorher von demokratisch gewählten Repräsentanten geregelt war, in die Hand von Firmen und erzeugt damit eine Technokratie.6

Zusammenfassung

Wir haben viel Arbeit investiert, um Menschenrechte, Gleichberechtigung, Minderheitenrechte, Pressefreiheit, Privatsphäre und Sicherheit, digitale Solidarität und vieles mehr zu fördern und weiterzuentwickeln. All das könnte Null und Nichtig werden, wenn das Informationszeitalter auf proprietärer Software aufbaut.

Freie Software allein ist sicher nicht genug, um alle Probleme zu lösen - aber es ist notwendig, um es den Menschen zu ermöglichen, ihre Rechte auszuüben, um die wir in der Informationsgesellschaft kämpfen.

Referenzen

  1. Als Referenz aus http://web.archive.org/web/20021217003716/http://www.opensource.org/advocacy/faq.html: Wie ist "Open Ssource" verbunden mit "Free Software"? Die Open Source Initiative ist ein Marketing-Programm für Freie Software. Es ist eine Verkaufshilfe für Freie Software, eher auf soliden, pragmatischem Grund basiert denn auf ideologischem Geschwätz. Die erfolgreiche Substanz ist die selbe, aber die erfolglosen Einstellungen und Symbolismen sind verändert.
  2. In diesem Programm zahlen Regierungen und zwischenstaatliche Organisationen beachtliche Gebühren für einen Einblick in einige Teile des Windows-Quellcodes in speziell von Microsoft dafür geschaffenen Einrichtungen. Das mag das Sicherheitsgefühl steigern, aber es ist im großen und ganzen sinnlos, besonders nachdem sie nicht einmal feststellen können, ob das, was sie sehen konnten auch das ist, was auf ihren Computern läuft. Und natürlich gibt es ihnen keine Freiheit.
  3. Eine Erläuterung dieses Mechanismus kann auf Wunsch gerne zur Verfügung gestellt werden.
  4. Randbemerkung: Dies sollte nicht als eine gute Sache für Leute in den nördlichen Ländern verstanden werden. Das ist es nicht.
  5. http://www-camlaw.rutgers.edu/publications/law-religion/scientology.htm
  6. Technokratie: Regierung durch Techniker oder die Führung der Gesellschaft durch technische Experten (Merriam Webster Dictionary)
Date: 2004/10/19 15:34:59 Revision: 1.7
Author: Georg Greve