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Der lange Weg des Routerzwangs zur Endgerätefreiheit

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Der Router. Obwohl oft staubbedeckt in einer Ecke, ist er einer der wichtigsten Bestandteile für das heimische Internet und Telefon. Allerdings gehört er den meisten BenutzerInnen in Deutschland überhaupt nicht, obwohl er in ihren Räumlichkeiten steht und sie dafür zahlen.

Noch zumindest, denn kürzlich hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet, um den so genannten Routerzwang endgültig abzuschaffen, damit alle Kunden auch ein anderes als das vom Provider gelieferte Endgerät nutzen können und dieses auch frei modifizieren dürfen.

Was ist Routerzwang?

Dabei sah es lange sehr schlecht aus für diejenigen, die gerne einen eigenen Router an die Dose in der Wand anschließen wollen. Oft geben die Provider entweder die notwendigen Zugangsdaten nicht heraus, verweigern den Support oder sperren den Zugang komplett. Was wie ein Luxusproblem klingt, hat enorme Auswirkungen auf Privatsphäre, Sicherheit und Wettbewerb. Über einen Router fließen in den meisten Fällen sämtliche Telefonate und Internetverbindungen, und viel zu häufig sind die vorgelieferten Geräte mit Sicherheitslücken gespickt. Über bestimmte Protokolle kann der Provider stets Kontrolle über solche Router erlangen und etwa Einfluss auf Qualität des Internetverkehrs zu bestimmten Diensten nehmen. Alternative Geräte, die beispielsweise auf Freier Software aufbauen und deswegen Datenschutz und Sicherheit groß schreiben, haben auf einem solch abgeschotteten Markt wenig Chancen, weil viele Nutzer sie nicht ohne großen Aufwand einsetzen können, wenn die Provider nicht mitspielen. Das stellt eine ungerechtfertigte Diskriminierung von Benutzern Freier Software und deren Herstellern dar, denn wir sollten stets die volle Hoheit über die von uns verwendeten Geräte innehaben.

Grundstein der Debatte über Routerzwang ist seit jeher die Definition des Netzabschlusspunkts. Dieser definiert, wo das öffentliche Netz, also das des Anbieters, endet und wo das des Kunden beginnt. Eigentlich sollte diese Schnittstelle die Dose in der Wand sein, doch viele Provider legen das mitgelieferte Endgerät als solche aus. Dadurch sei es auch legitim, dem Kunden die Herausgabe von Zugangsdaten zum Ersatz dieses Geräts zu verweigern. Bei den meisten Kabelanbietern muss das Modem gar erst durch einen Techniker im Datenzentrum registriert werden. Die technischen Gründe, die angeblich für diesen Zwang sprechen, sind jedoch technisch nicht stimmig und dienen als Vorwand. In den USA etwa ist dieser Markt liberalisiert und die beschworenen flächendeckenden Netzausfälle sind nicht zu beobachten.

Was bisher geschah

Seit Anfang 2013 schwelt die öffentliche Debatte über Zwangsrouter, stets begleitet von der FSFE. Nachdem die Bundesnetzagentur in einem intransparenten Verfahren nach zahlreichen Anhörungen und Workshops immer noch unsicher war, ob sie nun den Routerzwang gesetzlich legitimieren soll, obwohl sich nicht nur die FSFE, sondern auch die Mehrheit von hunderten Stellungnahmen dagegen aussprach, übernahm Ende 2014 das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das Ministerium hat einen zufriedenstellenden Gesetzentwurf zuerst zur Ratifizierung in die EU-Kommission und danach in das Bundeskabinett gebracht und dabei bisher alle notwendigen Hürden im Gesetzgebungsprozess überwunden. Das Gesetz wartet nun auf Zustimmung von Bundesrat und Bundestag.

Wir hätten uns zwar noch weitere gesetzliche Festschreibungen von Benutzerrechten für Kommunikationsgeräte gewünscht, aber der jetzige Stand garantiert zumindest für den mittelfristigen Stand der Technik ein Grundlevel von Nutzerfreiheiten. Um überhaupt bis an diesem Punkt zu kommen, war einiges an Arbeit notwendig. Als FSFE haben wir ein kleines Team interner und externer Experten aufgebaut, welches zu vielen der Anhörungen der Bundesnetzagentur detaillierte Stellungnahmen verfasst hat, welche neben wirtschaftlichen Aspekten auch Nutzerfreiheiten im Sinne von Freier Software und Offenen Standards angesprochen haben. Auch nach der Übernahme des BMWi haben wir in Abstimmung mit anderen Organisationen den Prozess stets kritisch begleitet und auf Mängel, aber auch positive Entwicklungen aufmerksam gemacht.

Mit einer Modifikation von FTEG (Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen) und TKG (Telekommunikationsgesetz) sollen die bisherigen Mängel nun behoben werden. Der passive Netzabschlusspunkt soll klar definiert, die Betreiber zur unaufgeforderten Bereitstellung von „notwendige[n] Zugangsdaten und Informationen für den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen und die Nutzung der Telekommunikationsdienste“ verpflichtet und ein Bußgeld von 10.000 Euro festgelegt werden, falls sie gegen diese Informationspflichten verstoßen.

Es ist noch nicht vorbei

Momentan liegt das Gesetz dem Bundesrat zur Stellungnahme vor und wird danach von der Bundesregierung dem Bundestag zu den drei Lesungen vorgelegt. Wird das Gesetz angenommen, benötigt es noch die Billigung des Bundesrats, um dann den Routerzwang sechs Monate nach dessen Verkündigung abschaffen zu können. Doch damit das tatsächlich gelingt, müssen wir diesen Prozess aufmerksam verfolgen, und darauf achten, dass der Entwurf nicht verwässert wird. Und Sie können dabei helfen: Kontaktieren Sie Ihre Volksvertreter, dass sie dieses Gesetz unbedingt ohne weitere Einschränkungen auf den Weg bringen sollen, um das absolute Minimum an Endgerätefreiheit, Verbraucherschutz und Sicherheit zu sichern.

Doch auch danach wird es spannend. Stellen sich Internetanbieter bei der Verwendung eigener Geräte im Support quer? Können alle Geräte problemlos an alternativen Routern eingesetzt werden? Findet trotz Gesetz eine Diskriminierung irgendeiner Art statt? Wir können uns über die bisherigen Erfolge freuen, doch dieses Thema ist zu brisant, als dass sich Freunde alternativer Endgeräte in trügerischer Sicherheit wiegen dürften. Für das kommende Internet der Dinge, wo Kühlschränke und Heizungen über das Internet erreichbar sein werden, spielen der Router und Endgerätefreiheit allgemein eine noch viel zentralere Rolle. Wir gehen davon aus, dass wir nicht das letzte Mal mit diesem Thema zu tun hatten, und dass wir auch in anderen europäischen Ländern Gerätefreiheit herstellen und verteidigen müssen.