Organisationen und Juristen fordern: Das besondere elektronische Anwaltspostfach muss Freie Software werden
Das Vertrauen in das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) hat nach bekannt gewordenen Sicherheitslücken und erheblichen technischen Mängeln das Vertrauen von Juristen und Mandanten verloren. Die Free Software Foundation Europe (FSFE) übermittelt heute ihren Offenen Brief mit Empfehlungen und Forderungen an die auftraggebende Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zusammen mit drei weiteren bekannten zivilgesellschaftlichen Organisationen und 21 Juristen.
Obwohl es der Anspruch des bisher 38 Millionen teuren Projektes ist, eine sichere Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation im Rechtsverkehr zu bieten, wurde spätestens Ende 2017 öffentlich, dass akute Sicherheitsmängel und grundlegende Konstruktionsfehler vorliegen. Auch eine bis heute geheim gehaltene Sicherheitsprüfung von 2015 hat offenbar nicht zu einer ausreichenden Verbesserung beigetragen.
Die Unterzeichner der Forderungen, neben der FSFE der Chaos Computer Club, Digitalcourage, The Document Foundation und eine Vielzahl deutschlandweit aktiver und bekannter Juristen, erwarten daher von der BRAK:
- die Veröffentlichung der bisherigen und zukünftigen Entwicklung der beA-Software unter einer gängigen Freie-Software-Lizenz,
- öffentliche Audits des gesamten Programmcodes durch unabhängige IT-Sicherheitsforscher,
- Kompatibilität der Software zu allen aktuellen Betriebssystemen (u.a. GNU/Linux, Windows, MacOS).
Ohne diese Voraussetzungen kann das Vertrauen in die Software und somit das ganze Projekt nicht mehr gerettet werden. Mandanten erwarten eine vertrauliche Kommunikation und Juristen benötigen diese, um ihre anwaltliche Pflicht der Verschwiegenheit erfüllen zu können. Zudem stellen die Unterzeichner fest, dass die bisherige Geheimhaltung von Software und Sicherheitsüberprüfungen auch in diesem Fall der IT-Sicherheit mehr geschadet als genutzt hat. Stattdessen hätte von Anfang an auf etablierte Freie-Software-Komponenten und einen transparenten Prozess gesetzt werden sollen.
Dass Freie Software generell für öffentliche digitale Dienstleistungen Standard sein muss, fordert die FSFE auch in ihrer Kampagne "Public Money, Public Code", die bereits von über 16.000 Personen und mehr als 100 Organisationen und Institutionen, darunter der Stadt Barcelona, unterzeichnet wurde.