Etalab zeigt, wie Freie Software für den öffentlichen Sektor verfügbar gemacht werden kann
Etalab führt zwei Listen für Freie Software. Die eine befasst sich mit der für den öffentlichen Sektor empfohlenen Freien Software (genannt SILL), während die andere auf Freie Software-Repositorys verweist, die vom öffentlichen Sektor erstellt wurden. Um mehr über die beiden Listen zu erfahren, haben wir ein Interview mit Bastien Guerry von Etalab geführt.
Etalab, eine Abteilung der französischen öffentlichen Verwaltung, die für digitale Angelegenheiten zuständig ist, hat zwei Listen mit Freier Software erstellt. Die eine listet die Freie Software auf, die für den öffentlichen Sektor empfohlen wird (genannt SILL), während die andere Links zu Repositorys für Freie Software enthält, die vom öffentlichen Sektor erstellt wurden. Bislang gibt es 3.739 Software-Repositorys, die Freie Software enthalten und vom öffentlichen Sektor entwickelt wurden. Diese Listen sind seit 2019 online verfügbar und durchsuchbar. Dieser Schritt steht im Einklang mit der "Public Money? Public Code!" Initiative der FSFE, in der wir fordern, dass Software, die von und für den öffentlichen Sektor entwickelt wurde, öffentlich zugänglich gemacht werden soll. Um mehr über die beiden von Etalab eingesetzten Listen zu erfahren, wie sie entstanden sind und welche Ideen dahinter stehen, haben wir ein Interview mit Bastien Guerry von Etalab geführt.
Könnten Sie kurz erläutern, was Etalab ist und was die Ziele sind?
Bastien Guerry: Etalab ist eine Abteilung der Verwaltung, die für digitale Angelegenheiten zuständig ist und den Namen Direction interministérielle du numérique (DINUM) trägt. In dieser Organisation koordiniert Etalab die Bemühungen des französischen öffentlichen Sektors, seine Daten und Verwaltungsdokumente als offene Daten zu veröffentlichen. Um dies zu erreichen, betreibt Etalab seit 2011 die Plattform data.gouv.fr.
Warum haben Sie das Repository, in dem Freie Software, die von der öffentlichen Verwaltung genutzt wird, gegründet? Warum sehen Sie hierfür einen Bedarf?
Bastien Guerry: Nun, es gibt kein "Repository für freie Software, die vom öffentlichen Sektor genutzt wird". Eine solche Liste wäre zu lang und wahrscheinlich niemals vollständig.
Etalab unterhält zwei Listen: den Katalog der empfohlenen Freien Software für die Verwaltung und die Liste der Quellcode-Repositorys, die von öffentlichen Organisationen veröffentlicht werden.
Die erste Liste heißt SILL (für "Socle Interministériel des Logiciels Libres") und findet sich unter sill.etalab.gouv.fr.
Im Jahr 2006 versuchte eine Gruppe von Beamten, Informationen über den Einsatz Freier Software wie LibreOffice (damals OpenOffice) in den Zentralverwaltungen zu sammeln. Im Jahr 2012 veröffentlichte der französische Premierminister Jean-Marc Ayrault ein Papier, in dem er darlegte, warum und wie Freie Software im öffentlichen Sektor bevorzugt eingesetzt werden sollte. Nach der Veröffentlichung des Papiers hatte die Gruppe von 2006 ein neues Ziel: die Auflistung von Freier Software, die von öffentlichen Einrichtungen bevorzugt eingesetzt werden sollte. Damals bestand die große Idee vor allem darin, die Verwaltungen dazu zu bringen, gemeinsamen Lösungen zusammenzutragen.
Bis 2018 wurde die SILL einmal im Jahr als PDF-Dokument veröffentlicht und zeigte den Verwaltungen, welche Freie Software sie verwenden konnten, welche Version empfohlen wurde usw. Im Jahr 2020 baute Etalab eine Website auf, auf der die SILL leicht zugänglich ist und nicht nur einmal im Jahr aktualisiert werden kann. Auch der anfängliche Zweck der SILL hat sich weiterentwickelt: Es geht nicht darum, dass die Behörden alle die gleichen Lösungen einsetzen, sondern darum, ihnen die Gewissheit zu geben, dass die Freie Software X oder Y in erheblichem Maße von einer anderen Behörde verwendet wird und somit als ausgereifte und nützliche Lösung vertrauenswürdig ist.
Bedenken Sie, dass das SILL eigentlich zwei Funktionen hat: Zu einem eine klare Botschaft an den öffentlichen Sektor senden ("Sie sollten die Verwendung dieser Freien Software in Betracht ziehen") und zum anderen technisch versierte Personen zu versammeln, die ihr Wissen über detaillierte Anwendungsfälle dieser Software innerhalb ihrer eigenen zentralen Verwaltung oder Behörde weitergeben können.
Etalab unterhält zwei Listen: den Katalog der empfohlenen freien Software für die Verwaltung und die Liste der Quellcode-Repositorys, die von öffentlichen Organisationen veröffentlicht werden.
Was sind die Anforderungen an Software, die auf code.etalab.gouv.fr veröffentlicht werden soll?
Bastien Guerry: Dies ist die zweite Liste, die Etalab veröffentlicht und pflegt: Die Website code.etalab.gouv.fr listet Quellcode-Repositorys auf, die von öffentlichen Einrichtungen erstellt wurden.
Wir sammeln manuell Links zu öffentlichen Organisationen und rufen dann automatisch Quellcode-Repositorys von diesen Organisationen ab.
Das Gesetz für eine digitale Republik von 2016 betrachtet den Quellcode als ein "Verwaltungsdokument", und als solches sind die öffentlichen Einrichtungen verpflichtet, ihn unter einer der erlaubten Lizenzen zu veröffentlichen, genau wie andere Dokumente mit offenen Daten - natürlich mit gewissen Einschränkungen.
Wie viele Repositorys haben Sie bisher?
Bastien Guerry: Mit Stand vom 18. Mai 2020 haben wir 422 Gruppen bzw. Organisationen und 3.739 Repositorys.
Wie war die Reaktion der öffentlichen Verwaltungen, haben sie selbst Software eingereicht?
Bastien Guerry: Ja. Etalab hat damit begonnen, Organisationen manuell aufzulisten, dann haben einige Organisationen spontan ihre eigenen Links eingereicht.
Während die meisten von ihnen GitHub benutzen, um den Quellcode zu veröffentlichen, benutzen einige GitLab und einige andere ihre eigene GitLab-Instanz.
Welche Art von Software wird am häufigsten veröffentlicht und von welchen Akteuren?
Bastien Guerry: Ich habe keine detaillierten Zahlen, aber ich schätze, dass 20% der Organisationen 80% der Repositorys veröffentlichen.
Ich kann nicht sagen, welche Art von Software am häufigsten veröffentlicht wird, dies erfordert eine sorgfältige Prüfung - aber ich Sie können sich auch gern selbst ein Bild davon zu machen.
Könnten Sie ein Beispiel für Freie Software nennen, die von anderen Verwaltungen weitgehend wiederverwendet wurde?
Bastien Guerry: Wir arbeiten daran. Im Moment adressiert code.etalab.gouv.fr zwei einfache Bedürfnisse: Es fördert die Bemühungen von öffentlichen Einrichtungen, die sich die Zeit nehmen, ihren Quellcode zu veröffentlichen, und es hilft Entwicklern von anderen öffentlichen Einrichtungen herauszufinden, ob ein Teil des Quellcodes bereits von anderen Verwaltungen geschrieben wurde.
Aber momentan wissen wir noch nicht, was von wem wiederverwendet wird. Wir arbeiten daran.
Haben Sie Zahlen darüber, wie oft die Website benutzt wird, um Software zu finden?
Bastien Guerry: Unsere Statistiken für sill.etalab.gouv.fr und code.etalab.gouv.fr sind unter stats.data.gouv.fr öffentlich einsehbar.
Würden Sie anderen Ländern empfehlen, ebenfalls eine Sammlung der von öffentlichen Verwaltungen verwendeten Freien Software zu haben? Wenn ja, warum?
Bastien Guerry: Ich würde andere Länder ermutigen, eine Liste mit empfohlener Freier Software für ihre eigene Verwaltung zu erstellen: Sie hilft kleinen öffentlichen Einrichtungen, indem es ihr Vertrauen in Freie Software stärkt und sie zu den richtigen Werkzeugen führt. Zudem hilft sie den Verwaltungen auch indem sie sachkundige Personen miteinander über die Verwendung dieser Freien Software diskutieren lässt.
Ich möchte andere Länder ermutigen, eine Liste empfohlener Freier Software für ihre eigene Verwaltung zu erstellen.
Was sind die nächsten Schritte bei der Entwicklung des Repositorys?
Bastien Guerry: Für sill.etalab.gouv.fr wollen wir mehr Mitarbeiter aus der Verwaltung gewinnen, um bei der Identifizierung von Freier Software und der Veröffentlichung von mehr Anwendungsfällen zu helfen.
Für code.etalab.gouv.fr konzentrieren wir uns darauf, Freie Software zu identifizieren, die von der öffentlichen Hand veröffentlicht wurde und die andere Verwaltungen wiederverwenden wollen.
Wir freuen uns auf die zukünftige Verwendung und Entwicklung von SILL und code.etalab.gouv.fr. Vielen Dank für dieses sehr interessante Interview!
Die Fragen für die FSFE stellte Bonnie Mehring
Die "Public Money? Public Code!"-Initiative zielt darauf ab, Freie Software als Standard für öffentlich finanzierte Software zu etablieren. Öffentliche Verwaltungen, die diesem Prinzip folgen, können von zahlreichen Vorteilen profitieren: Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Stellen, Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern, möglichen Steuerersparnisse, Innovationsförderung und einer solideren Grundlage für IT-Sicherheit. Die "Public Money? Public Code!"-Initiative der Free Software Foundation Europe wird von über 180 Organisationen und Verwaltungen, darunter die Stadt Barcelona unterstützt. Mehr dazu erfahren Sie hier: publiccode.eu.