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Niederlande: App für Bürgerbeteiligung bleibt der Öffentlichkeit verwehrt

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Das niederländische Repräsentantenhaus (Tweede Kammer) diskutiert in der Öffentlichkeit, so wie es angedacht ist. Da aber nicht alle die Möglichkeit haben, nach Den Haag zu reisen und im Kabinett zu sitzen, hat die Tweede Kammer eine App herausgebracht, mit der man die Debatten via Livestream verfolgen kann. Leider wurde diese App nicht unter einer Freie-Software-Lizenz veröffentlicht. Unser niederländischer Ehrenamtlicher Jos van den Oever wollte sich an den Debatten betiligen, konnte die App aber nicht auf seinem Gerät installieren, und wurde deshalb aktiv.

Im Prinzip ist es eine gute Idee, mit der Entwicklung und dem Einsatz von technischen Lösungen die Transparenz in den Parlamenten zu erhöhen. Allerdings stellt die niederländische Implementierung mit der Debat Direct App das Gegenteil dar, da sie nicht von allen verwendet werden kann. Sie ist lediglich in den App-Stores von Apple, Google und Microsoft erhältlich und steht nicht unter einer Freie-Software-Lizenz. Neben der App gibt es außerdem eine Webapplikation, die eine ähnliche Funktionsweise bietet. Jos wollte darüber an den Debatten teilnehmen und die Webapplikation auf seinem Smartphone mit Firefox OS - einem Freie-Software-Betriebssystem für Smartphones - verwenden, leider ohne Erfolg. Daher versuchte Jos im Januar 2018, den Quellcode der Applikation zu bekommen, um die Lauffähigkeit auf anderen Geräten zu ermöglichen. Dies erwies sich als eine große Herausforderung.

PMPC
Public Money? Public Code!

Anfrage mittels PSI

Die Anfrage für den Quellcode berief sich auf die niederländische Version der European Public Sector Information (PSI)-Richtlinie (Wet hergebruik overheidsinformatie). Diese Richtlinie erlaubt es, öffentliche Informationen im originalen und wiederverwendbaren Zustand, wie sie in der öffentlichen Institution vorliegen, anzufordern. Es ist anzumerken, dass das Parlament davon befreit ist, nicht öffentliche Inhalte aufgrund einer Informationsfreiheitsanfrage öffentlich verfügbar zu machen. Die PSI-Richtlinie ist daher nur anwendbar, falls die Informationen bereits öffentlich sind. Nichtsdestotrotz bat ein Großteil der niederländischen Abgeordneten die Regierung um den Einsatz und die Veröffentlichung unter einer Freie-Software-Lizenz. Somit hätten alle das Recht zur Verwendung, zum Untersuchen und zum Teilen und Verbessern des Codes. Aber bisher ging das Parlament nicht mit gutem Beispiel voran. Jos' Anfrage wurde nicht entsprochen und der Code blieb der Öffentlichkeit verwehrt. Jos gab nicht auf und brachte den Fall vor Gericht.

Reverse Engineering

Leider widersprach das Gericht und entschied, dass Quellcode kein wiederverwendbarer Teil von Software sei. Allerdings wurde ein Großteil des Quellcodes für die Webapplikation über Source Maps öffentlich gemacht. Jos schrieb ein Skript, das die JavaScript-Dateien der Source-Maps abspeichert und konnte somit einen Großteil der Anwendung rekonstruieren. Hierzu betrieb er auch Reverse Engineering für Dateien, die für die Kompilierung notwendig sind. Trotz aller Möglichkeiten, den Code zu bekommen, steht dieser unter keiner richtigen Lizenz; man kann sich in den Code einarbeiten, ihn aber nicht teilen oder verbessern.

Gerichtsprozess

Jos berief sich auf die gerade entdeckten Source Maps, was eine Anhörung am 17. März 2021 nach sich zog. Jos klagte vor dem höchsten Verwaltungsgericht in den Niederlanden, der Abteilung für Verwaltungsgerichtsbarkeit des Staatsrats. In der Anhörung argumentierte das Parlament, dass die Source Maps keinen Quellcode enthielten, obwohl Jos den extrahierten Quellcode für die Anhörung eingereicht hatte. Am 31. März 2021 entschied der Staatsrat, dass das Parlament den Quellcode nicht veröffentlichen müsse und dieser nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei. Das heißt, dass der Code, obwohl er über die Source Maps einsehbar ist, rechtlich gesehen nicht öffentlich ist. In anderen Worten: Er ist nicht öffentlich, da das Parlament dies so entscheidet.

So seltsam es auch klingen mag: rechtlich gesehen ist die PSI-Richtlinie nicht auf das Parlament anwendbar, daher muss die App nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. Das Gute an der Entscheidung ist, dass sie nichts Negatives über die Beschaffung des Quellcodes für öffentlich zugängliche Software aussagt.

Die FSFE fordert das niederländische Parlament hiermit auf, Regeln für sich selbst zu erlassen, transparent zu handeln und Quellcode solcher Anwendungen unter einer Freie-Software-Lizenz zu veröffentlichen.

Hier kann man mehr zur Tätigkeit von Jos erfahren (niederländisch): https://broncode.org