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Fragen an Microsoft zu offenen Formaten

Im Original am 11. Juli bei der BBC veröffentlicht.

Aufgrund Microsofts Ankündigung, den UK National Archives beim Verarbeiten von in älteren Dateiformaten gespeicherten Dokumenten helfen zu wollen, hinterfragen Georg Greve und Joachim Jakobs, beides Mitarbeiter der Free Software Foundation Europe, die wirklichen Motive des US-amerikanischen Software-Giganten.

Es ist längst eine Binsenweisheit, dass die Anwender von Heute die Richtung der technologischen Entwicklung von Morgen bestimmen.

Wenn ein und dieselbe Firma sich von ihren Kunden zuerst dafür bezahlen lässt, ein Problem zu schaffen, und dieselbe Firma sich von ihren Kunden dann erneut bezahlen lässt, dieses eben von ihr geschaffene Problem zu lösen, würden die meisten Menschen doch erwarten, dass die Kunden unzufrieden reagierten. Dennoch scheint diese Situation für ein paar wenige Profiteure angenehm zu sein.

Das Problem: Microsoft dominiert den Markt für Büro- und Desktopanwendungen zu über 90%. Jedes Dokument, welches in Microsofts proprietären Dokumentenformaten gespeichert, und insbesondere jedes derartig behaftete Dokument, das zwischen mehreren Personen ausgetauscht wird, stärkt Microsofts Monopolstellung, verzerrt den Wettbewerb, schädigt dadurch die Ökonomie und mithin das gesellschaftliche Wertesystem insgesamt.

Die digitale Welt besteht aus Netzwerken und je intensiver Microsoftspezifische Formate genutzt werden, desto stärker werden auch Andere in die Abhängigkeit von einer einzelnen Firma hineingezwungen - so, wie es gerade mit den UK National Archives geschehen ist.

Was passierte?: Microsoft fragte die UK National Archives, ob diese in Lösungen investieren wollten, die ihnen den Zugang zu ihren in älteren Dokumentenformaten gespeicherten Daten erlaubt.

In der vergangenen Woche berichteten die BBC News über Mr. Gordon Frazer, Managing Director bei Microsoft UK, der sich besorgt über das Risiko eines Datenverlustes seiner Kunden äußerte: "Wenn wir nicht härter daran arbeiten, dass ältere Dokumentenformate auch später noch les- und verarbeitbar sind, ist die Zukunft ein digitales schwarzes Loch."

Ein ehrliches Statement

So die überraschend ehrliche Aussage des weltweit größten Anbieters inkompatibler und undokumentierter Dokumentenformate.

Die "Emulation" alter Windows-Versionen unter der aktuellen Version ihres Betriebssystems Windows Vista, ist offenbar die beste Lösung, die Microsoft hier anbieten kann.

Natürlich werden ein paar Bibliotheken und Museen es ermöglichen wollen, auf die Datenverarbeitung vergangener Zeitalter zurückblicken zu können und nicht jede und jedes werden deswegen auch die Hardware vergangenen Zeiten vorhalten wollen.

Sind die UK National Archives ein Museum für die Technologien vergangener Zeiten? Besteht ihr Auftrag nicht vielmehr darin, das Wissen, die Gedanken und Ideen vorangegangener Generationen zu sammeln und verlässlich für die Zukunft zu archivieren damit wir darauf aufbauen und diese Ideen weiterentwickeln können?

Die breite Masse wird Cäsars Werk nicht in Form der originalen Handschrift eines bestimmten Schreibers, geritzt in eine Tontafel oder auf Haut geschrieben, lesen wollen.

Normalerweise sind Abbildungen der Originale vollkommen ausreichend. Viele bevorzugen allerdings eine Abschrift auf Papier oder die Darstellung am Bildschirm.

Die Bedeutung einer guten Übersetzung

Den meisten Menschen jedoch werden eine gut verstehbare Übersetzung favorisieren. Dateiformate sind das Äquivalent zu dieser Übersetzung, sie übertragen den originalen Inhalt in eine archivierbare Form.

Die Idee ist nicht neu. Die Menschheit sucht seit ihren Anfängen nach Mitteln und Wegen, ihr Wissen zu konservieren und an nachfolgende Generationen zu vererben, wie Tontafeln, Schriftrollen und Höhlenmalerein dokumentieren.

Doch während das Trägermedium die Zeiten überdauern kann, geht die Bedeutung des Aufgezeichneten manchmal verloren, weil der Schlüssel zum Entziffern der Informationen verloren ging.

In anderen Worten: Wir können die Höhlenmalereien nicht mehr entziffern, weil wir den Schlüssel zu ihrem Code nicht mehr kennen.

Digitalisierte Informationen hingegen könnten potentiell ohne Qualitätsverlust für eine sehr lange Zeit gespeichert werden.

Ohne Informationen über die Kodierung der Dokumente, werden sie für künftige Generationen allerdings nur nutz- und bedeutungslose Aneinanderreihungen von Einsen und Nullen sein. Ähnlich wie Höhlenzeichnungen, die für uns heute oft nur noch bedeutungslose Bilder auf Steinen sind.

Die einfachste und zuverlässigste Methode Informationen über Generationen hinweg zu sichern, ist, ihre Kodierung offenzulegen, sie zu einem für Jeden verfügbaren Gut zu machen.

Derzeit jedoch weiß nur eine einzige Firma, wie ihre älteren Dateiformate tatsächlich implementiert sind.

Hätte Microsoft von 1975, dem Jahr der Gründung an, Offene Standards verwendet, hätten wir das Problem heute nicht.

Beispielsweise könnten Nutzer von GNOME Office, Koffice oder OpenOffice.org, mit Microsoft-(MS)-Office kodierte Dokumente problemlos lesen.

Aktuell hängen Zukunftssicherheit und Verwertbarkeit der MS-Office-Dokumente vollkommen vom Bestehen und vom Verhalten einer einzigen Firma ab.

Dank der Kooperation von Unternehmen, die untereinander zwar in starkem Wettbewerb stehen, sich aber nichtsdestotrotz über die Notwendigkeit zukunftssicherer Dokumentenkodierung einig sind, gibt es einen Offenen Standard für Bürodokumente: das "OpenDocument Format" (ODF). Das "OpenDocument Format" wird durch OASIS, eine internationale E-Business Standardisierungs Organisation verwaltet und weiterentwickelt und wurde von der International Organisation for Standardization (ISO) bereits als Standard zertifiziert.

Ernsthafte Zweifel

Microsoft sagte, es habe ein eigenes offenes Format, MS-OOXML. Jedoch bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass MS-OOXML die Bedingungen für Offene Standards erfüllen kann: Wie bei den russischen Matrioschkas wurde MS-OOXML als eine Art Hülle um eine Anzahl älterer Dokumentenformate wie "Word95" oder "Word6" herumgebaut, deren Spezifikationen von Microsoft geheimgehalten werden und die deshalb in vollem Umfang nur durch Microsoft implementiert werden können.

Ein weiteres Risiko sind patentrechtliche Klagen, deren Gegenstand OOXML werden kann. Letztlich ist die Entwicklung von OOXML vollkommen an die Zukunft Microsofts gebunden. Möchten wir unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder davon abhängig machen, dass die Microsoft Corporation im Jahre 4007 noch existiert?

Die verheerende Wirkung doppelter Standards wurde erst kürzlich vom Open Forum Europe, einem Geschäftsverband bestehend u.a. aus Fujitsu Siemens, Hewlett Packard, IBM, Intel, Novell und Sun, dargelegt.

Ihre Schlussfolgerung lautet, das schon anerkannte Open-Document-Format zu unterstützen: "Die Verwendung mehrerer unterschiedlicher Offener Standards ist im Sinne einer reibungslos funktionierenden Interoperabilität hinderlich, teuer und sowohl für Kunden als auch Hersteller unpraktisch und wird sich im Markt nicht durchsetzen."

Die Öffentlichkeit muss folgendes verstehen: Solange es allein Microsoft möglich ist, Software zu schreiben die den vollen Funktionsumfang der marktbeherrschenden MS-Office-Datei-Formate nutzen kann, solange wird Microsoft mangels Alternativen das beherrschende Monopol sein und Wettbewerber aus dem Markt drängen.

Microsoft versucht gegenwärtig unter Ausnutzung seiner Monopolstellung und durch massiven Lobbyismus, die International Standardisation Organisation zu benutzen, sein proprietäres MS-OOXMML zu einem weiteren marktbeherrschenden Format aufzubauen.

Wir haben sechs Fragen formuliert, die wir von Microsoft beantwortet haben wollen. Die wichtigste lautet: Warum weigerte Microsoft sich in der Vergangenheit und warum weigert Microsoft sich noch heute, an bereits bestehender Standardisierungerfolgen teilzuhaben?

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