FSFE Newsletter - Juni 2010
Der Mai war ziemlich geschäftig, zum ersten Mal haben wir an einer großen Kirchenveranstaltung teilgenommen, um die Besucher über Freie Software zu informieren. Wir haben die Digitale Agenda der Europäischen Kommission analysiert, und es gab Neuigkeiten über freie Video-Formate.
Aber warum arbeiten wir an all diesen Dingen? Weil es für die Gesellschaft wichtig ist. Heutzutage ist Software überall, in unseren Desktop-Computern, Laptops und Handys genauso wie in Autos, Zügen, Fernsehgeräten, Kühlschränken - in jedem komplexen technischen Gerät, das Ihnen einfällt. Software ist nicht nur ein Arbeitsgerät so wie ein Auto; sie befindet sich überall und wird in Zukunft sogar noch wichtiger werden.
Die Kontrolle über die Software bedeutet Macht. Wer auch immer die Software kontrolliert entscheidet, was Sie damit tun oder nicht tun können. In Demokratien trennen und verteilen wir die Macht auf viele verschiedene Menschen. Die Kontrolle über die Software, die ein derart machtvolles Werkzeug unserer Gesellschaft ist, muss ebenfalls verteilt werden. Wenn immer mehr Bestandteile unseres Lebens durch Software kontrolliert werden, dann muss die Software Freie Software sein.
Diesen Monat haben wir für genau diese Arbeit für die Gesellschaft die Theodor-Heuss-Medaille erhalten. Die Theodor-Heuss-Stiftung, die die Medaille verleiht, ist eine überparteiliche Stiftung, die den Namen des ersten deutschen Bundespräsidenten trägt. Ziel des Preises der Stiftung ist es, dass er in unserer Demokratie "hinweist auf etwas, was getan werden muss, ohne dass er etwas Vollendetes auszeichnet" (Carl Friedrich v. Weizsäcker, 1965). Der Theodor-Heuss-Preis wird jährlich an Personen mit hohem Ansehen und an in dieser Hinsicht wegweisende Organisation verliehen.
Diese Auszeichnung bringt den Unterstützern von Freier Software Anerkennung außerhalb der üblichen Software-Szene. Sie zeigt, dass eine namhafte politische Stiftung der Meinung ist, dass Freie Software gut für unsere Gesellschaft ist und dass die FSFE gute Arbeit leistet. Dies öffnet Türen, um ein breiteres Publikum zu erreichen, insbesondere Politiker. Am Tag der Feierlichkeit und beim Workshop einen Tag zuvor führten Bernhard Reiter, Björn Schießle, Georg Greve, Karsten Gerloff, andere Fellows und ich selbst gute Diskussionen mit einer Menge politisch interessierter Personen verschiedener Herkunft (siehe [1] [2] [3]).
Das Publikum vergrößern Da wir gerade von einem breiteren Publikum sprechen: wir haben erstmalig am ökumenischen Kirchentag in München teilgenommen. Obwohl wir bereits zuvor auf kirchlichen Veranstaltungen Vorträge gehalten hatten, um die Werte von Freier Software zu erklären, so war es doch eine vollkommen neue Erfahrung für uns, an einer Veranstaltung dieser Größenordnung, mit 130.000 Besuchern, teilzunehmen. Thomas Jensch hat zusammen mit dem KDE e.V. einen gemeinsamen Ausstellungsstand organisiert, um den Besuchern zu erklären, warum sie als Christen Freie Software wichtig nehmen sollten (siehe [4]).
Offene Standards und Politik Offene Standards sind wichtig, um den Migrationsweg hin zu Freier Software zu erleichtern. Diesen Monat hat die Europäische Kommission die Digitale Agenda veröffentlicht. Es ist gut, dass die Kommission plant, Offenen Standards bei der Beschaffung von Software eine größere Rolle zuzuerkennen, und die dominanten Software-Anbieter dazu zu bringen, ihre Interoperabilitäts-Informationen zu lizensieren, und damit den Software-Markt für Anbieter Freier Software zu öffnen. Allerdings vermeidet die EK jeden Bezug auf Offene Standards und Freie Software, obwohl die Mitgliedsstaaten in den Erklärungen von Granada und Malmö der Kommission diese Ziele gesetzt haben. Stattdessen verweist die Kommission auf das European Interoperability Framework. Dies ist ein Dokument, welches gegenwärtig systematisch ausgehöhlt wird, wie die Analyse der FSFE gezeigt hat [5]. Wir haben in groben Zügen dargelegt, dass die EK eine strenge Definition von Offenen Standards einführen muss, analog zum ersten European Interoperability Framework (EIF), und dass sich die Kommission bei ihrer IT-Strategie für die öffentliche Hand auf Offene Standards konzentrieren muss, um das volle Potential von Freier Software für die Innovation in Europa zu entfalten (siehe [6]).
Freie Video-Formate Gute Neuigkeiten zu offenen Video-Formaten. Im März haben unsere Schwesterorganisation, die FSF, und unsere assoziierte Organisation FFII beide Google aufgefordert, den Video-Codec VP8 frei zu machen und ihn auf YouTube einzusetzen. Diesen Monat hat Google angekündigt, dass sie es tun werden. Von nun an werden Benutzer imstande sein, Freie Software zu benutzen, um das neue WebM-Format abzuspielen und zu kodieren. "WebM basiert auf dem Matroska-Container-Format -- das Ogg ersetzt -- und dem VP8-Video-Codec, der Theora ersetzt. Der Vorbis-Audio-Codec ist ein wichtiger Bestandteil der neuen WebM-Spezifikation." (siehe [7] und [8]).
Die andere gute Neuigkeit: seit ein paar Tagen ist das deutsche Nachrichtenprogramm der ARD, die Tagesschau, als Ogg-Theora verfügbar. Nachdem bereits der öffentliche Radiosender Dradio sein Programm im Ogg-Vorbis-Format sendet, können Sie nun auch die Tagesschau mit Freier Software anschauen [9] und müssen keine proprietäre Software, wie den Flash-Player von Adobe, installieren (siehe [10]).
Werden Sie aktiv Wir sind auf zahlreiche Freiwillige angewiesen, um aktuelle Themen zu evaluieren. Wenn Sie Freie Software in Europa unterstützen wollen, dann melden Sie sich bitte bei unseren öffentlichen Mailinglisten an [11], nehmen Sie an den Diskussionen teil und teilen Sie Ihr Wissen mit anderen. Sind Sie in ein Thema wie freie Video-Formate eingestiegen, haben Sie einen interessanten Artikel über Freie Software gefunden, denken Sie, wir haben einen wichtigen Punkt in einer Diskussion übersehen, oder wollen Sie uns eine Rückmeldung zum Newsletter geben? Werden Sie aktiv und teilen Sie diese Information mit anderen Unterstützern von Freier Software auf discussion@lists.fsfe.org.
Viele Grüße,
Matthias Kirschner- FSFE
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