Gesetz über digitale Märkte

Geräteneutralität ist ein politisches Konzept zur Regulierung von Monopolen über Geräte und zur Wiederherstellung der Kontrolle der Nutzenden über ihre digitalen Geräte. Das Gesetz über digitale Märkte (DMA) reguliert die wirtschaftlichen Aktivitäten großer digitaler Plattformen und führt das Konzept der Geräteneutralität in die EU-Gesetzgebung ein, um den Zugang zu Freier Software auf den Geräten zu fördern.

Geräteneutralität: Bewahrung Freier Software auf Geräten

Marktmonopolisierung und die Rechte der Nutzenden

Die monopolistische Macht großer Technologiekonzerne verursacht Verzerrungen auf den digitalen Märkten. Dies wirkt sich negativ auf die Rechte der Nutzenden und deren Kontrolle über ihre Geräte aus. Die Freiheit der Endnutzer*in Freier Software zu verwenden braucht ein politisches und ökonomisches Umfeld, in welchem sie eine freie Wahl treffen können, ohne in geschlossenen Umgebungen unter der Kontrolle von einzelnen Torwächtern zu landen.

Geräteneutralität ist ein politisches Konzept, das darauf abzielt, mit unausgewogener Macht über digitale Geräte umzugehen. Freier Software kommt eine zentrale Rolle bei der Wiederherstellung eines fairen Wettbewerbs in Marktdynamiken zu, die für die Nutzer*innen besser sind. Lesen Sie weiter um zu erfahren, wie digitale Märkte von strengen Regeln zur Regulierung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen mit solcher Marktmacht profitieren können. Das Gesetz über digitale Märkte (DMA) ist ein Beispiel für eine solche Regulierung. Mit einer geeigneten Durchsetzungsmöglichkeit hat das Gesetz das Potential, den Zugang zu Freier Software auf Geräten zu erleichtern.

Smartphone in der Hand.
Monopole auf digitalen Märkten beeinträchtigen direkt die Rechte der Nutzenden an ihren Geräten.

Geräteneutralität findet sich in der DMA als strenge Zustimmungsregelung für vorinstallierte Apps, den Schutz gegen Vendor-Lock-in und Dateninteroperabilität. Solche Regulierungselemente repräsentieren mächtige Mechanismen zum besseren Schutz von Zugang und Nutzung Freier Software auf den Geräten der Nutzer*innen. Jedoch ist die Durchsetzung dieser Regelungen mit Herausforderungen für die praktische Umsetzung der Geräteneutralitätsprinzipien und die tatsächliche Verwirklichung von Geräteneutralität verbunden.

Gesetz über digitale Märkte: ein Überblick

Der Gesetz über digitale Märkte (DMA) - Regulation (EU) 2022/1925 - reguliert die wirtschaftliche Aktivität großer digitaler Plattformen, die als "Torwächter" fungieren, in dem Bestreben, einen faireren und wettbewerbsfähigeren Markt für Online-Plattformen in der EU zu schaffen. Das DMA ist ein entscheidender Fortschritt, da Auflagen zur Bekämpfung von Monopolen eingeführt werden. Diese Auflagen wirken sich auf die Softwarefreiheit, Interoperabilität und die Kontrolle über persönliche Daten aus. Die drei Kernelemente des DMA sind die Benennung von Torwächtern, die Liste von Erlaubnissen und Verboten sowie die Durchsetzungsmechanismen.

Wer sind die Torwächter

Der Umfang des DMA deckt nicht alle digitalen Dienste auf dem Markt ab sondern nur diejenigen, die als Kernplattformdienste ("core platform services" (CPSs)) gemäß Art. 2(2) gelistet sind. Dazu gehören Online-Vermittlungsdienste, Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Videoplattformen, Messaging-Apps, Betriebssysteme, Webbrowser, virtuelle Assistenten, Cloud-Computing-Dienste und Online-Werbung.

Illustration eines Computers, eines Tablets und eines Smartphones.
Torwächter können Gerätehersteller, Händler oder Internetplattformen sein, die den vom DMA definierten Kriterien entsprechen.

Das Gesetz über digitale Märkte (DAM) stellt eine asymmetrische Regulierung dar. Die darin enthaltenen Pflichten gelten nicht für alle Technologiekonzerne sondern nur für jene, die als Torwächter gekennzeichnet wurden. Die Entscheidung darüber wird von der Europäischen Kommission gefällt, basierend auf einem kumulativen "Drei-Kriterien-Test" wie in in Art.3(1) beschrieben: Torwächter sind jene Unternehmen welche einen "erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt" haben, "einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der gewerblichen Nutze[nden] als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient", und "die eine eine gefestigte und dauerhafte Position innehat". Das DMA setzt voraus, dass diese Kriterien zutreffen, wenn die Unternehmen in den vergangenen drei Geschäftsjahren einen Jahresumsatz von ≥ 75 Milliarden EUR erzielt haben und im Bezug auf den zentralen Plattformdienst mehr als 45 Millionen monatliche aktiven Nutzer*innen haben.

Geräteneutralitätsregeln im DMA

Das DMA ist ein ökonomisches Regulierungstool, keine Verbraucher*innenschutzgesetzgebung. Aber viele der darin enthaltenen Regeln beeinflussen direkt und indirekt die Nutzenden. Das DMA versucht, die Macht von Torwächtern auf Digitalmärkten durch den Schutz der Nutzenden vor monopolistischen Praktiken auszubalancieren und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Marktteilnehmenden zu fördern. Für die Geräteneutralität bedeutet das, dass die Nutzenden in der Lage sein sollten, Torwächter zu umgehen und das Recht auf alternative Marktzugänge haben. So dass sie Produkte und Dienste geniessen können, die nicht von Torwächtern dominiert sind (z.B. die Installation Freier Software auf ihren Geräten). In anderen Worten, Torwächter sollten Geschäfts- und Indiviualnutzende nicht darin beschränken, alternative Marktzugänge für Inhalte und Informationen, Software und andere digitale Dienste zu nutzen.

Illustration eines Smartphones und einer traurigen Person.
Nutzernde sollten in der Lage sein, Torwächter zu umgehen, um Zugang zu alternativen Inhalten, Software und anderen digitalen Diensten auf dem Markt zu haben.

Das DMA präsentiert eine Liste von "harten" und "weichen" Pflichten für jeden Kerndienst der Plattformen von Torwächtern, was von der Kommission in den Arts. 5-7 festgelegt wurde, verbunden mit Korrekturmechanismen in Arts. 8-13. Diese beinhalten verschiedene Bestimmungen zur Geräteneutralität.

Im Verhältnis zu Softwarefreiheit sind Torwächter dazu angehalten, Nutzenden zu erlauben, jede vorinstallierte Software auf den Geräten zu deinstallieren (Art. 6(3)), so wie auch die Installation und Nutzung von Drittparteiapps oder Appstores zu ermöglichen (Art. 6 (4)).

Das DMA beinhaltet verschiedene Bestimmungen zur Verbesserung des Schutzes gegen Vendor-lock-in. Torwächter können Appentwickler*innen nicht verbieten, unterschiedliche Preise und Konditionen für ihre Apps in alternativen Appstores festzusetzen (z.B. F-Droid) (Art. 5(3)). Torwächter können Softwareentwickler*innen und Nutzende nicht dazu zwingen, sich für einen Dienst oder eine App zu registrieren oder anzumelden, als Voraussetzung für ihren eigenen oder einen anderen Dienst oder eine App des Torwächters (Art. 5(7)). Daneben sollten sie Nutzenden den Zugang zu und die Nutzung von Drittparteiapps, Inhalten, Abonnements, Features oder anderen Funktionalitäten erlauben (Art. 5(5)). Schließlich können Torwächter nicht die Möglichkeiten der Nutzer*innen beschränken, zwischen verschiedenen Apps und Diensten zu wechseln und diese zu abonnieren, die über das Betriebssystem oder den Appstore erreicht werden (Art. 6(6)).

Interoperabilität und Kontrolle über Daten wird auch als ein entscheidender Faktor gegen einen Lock-in-Effekt betrachtet. Torwächter sollten Drittparteientwickler*innen die selben Hardware- und Softwarefeatures bieten, welche über das Betriebssystem zugänglichen oder von dort kontrollierten werden können (Art. 6(7). Das beinhaltet Dateninteroperabilität, (auch Echtzeit-Datenportabilität genannt) (Art. 6(9) und Interoperabilität unter Kommunikationsapps (Art. 7).

Durchsetzungsmechanismen

Das DMA repräsentiert eine neue Einstellung in Bezug auf die Regulierung von Plattformen. Es ist eine hybride Form von Wettbewerbs- und Telekommunikationsgesetz, wobei eine zuständige Behörde entscheidet, wer in den Bereich der Regulierung fällt. Jedoch ist, anders als beim Telekommunikationsgesetz, das es erfordert, dass die nationalen Regulierungsbehörden aktiv werden, beim DMA die Durchsetzung bei der Europäischen Kommission zentralisiert. Die Kommission kann untersuchen, (Art. 16) ob ein Unternehmen die Kriterien erfüllt und als Torwächter angesehen werden sollte und auch die Liste der Pflichten aktualisieren. Die Kommission kann auch Geldstrafen bis zu 10% des jährlichen Umsatzes des Torwächters oder regelmässige Strafzahlungen von bis zu 5% des weltweiten täglichen Durchschnittsumsatzes festsetzen (Arts. 30-31).

Nutzende, Wettbewerber und andere Organisationen können bei der Durchsetzung des DMA mitwirken, indem sie die nationalen Regulierungsbehörden über illegale Praktiken von Torwächtern informieren. Diese können dann die Kommission kontaktieren, um ein Verfahren zu starten.

Illustration von zwei Personen mit einem Smartphone, einem PC und einem Tablet.
Gute Implementierung und Durchsetzung kann die weitere Verbreitung und Nutzung Freier Software auf den Geräten erleichtern.

Die Implementierung des DMA und Freie Software

Die Freiheit der Nutzenden im Zusammenhang mit Freie Software hängt von einem politischen und ökonomischen Umfeld ab, in dem sie ihre freie Wahl bei der Nutzung ihrer Geräte treffen können, ohne in geschlossenen Umgebungen unter der Kontrolle der Torwächter zu landen. Digitalmärkte können mit dem DMA und der Regulierung von Geschäftspraktiken der großen Plattformbetreiber profitieren, da diese gezwungen werden, den Zugang zu Freier Software auf den Geräten zu erleichtern. Trotzdem bleibt das DMA in manchen Bereichen hinter den Erwartungen zurück. So zum Beispiel in Bezug auf Offene Standards, den Druck, den Torwächter auf Entscheidungsträger*innen ausüben können, und das komplexe digitale Umfeld.

Illustration von Smartphone, Tablet und Interface.
Obwohl das DMA für einen Fortschritt in Bezug auf die Regulierung von Torwächtern steht, gibt es immer noch Herausforderungen für eine effektive Implementierung.

Offene Standards fehlen

Im Gesetzgebungsprozess hat die FSFE auf die Aufnahme einer klaren Sprache in Bezug auf die verpflichtende Übernahme Offener Standards für Interoperabilitätsverpflichtungen gedrängt. Dies wurde aber in der finalen Version des Gesetzes nicht umgesetzt. Stattdessen erwähnt der DMA "freie und effektive Interoperabilität" (Art. 6(7)) in Bezug auf Hardware und Softwarefeatures, auf die von Drittparteien mit einem Betriebssystem zugegriffen werden kann, auch als "faire, akzeptable und nicht-diskriminierende Zugangsbedingungen" zu Appstores, Suchmaschinen und Betriebssystemen. Die nun gefundene Lösung erlaubt Torwächtern möglicherweise, proprietäre Standards zu implementieren und den Zugang zu APIs zu beschränken, was mit Freier Software nicht vereinbar ist. Das war eine versäumte Chance, den Wettbewerb mit leicht zugänglichen und nicht-diskriminierenden technischen Spezifikationen in Schwung zu bringen. Offene Standards bleiben ein wichtiges Element für Innovation, da sie den Marktakteuren erlauben, die neuesten technischen Standards einzuführen.

Sicherheitsbedenken vs kommerzielle Interessen

Ein weiterer Grund zur Sorge ist, wie das Gesetz Torwächtern gestattet, Interoperabilität wegen Integritäts- und Sicherheitsbedenken bezüglich der Dienste und Geräte der Torwächter einzuschränken (Art. 6 (3) und (7)). Unsere Erfahrungen zeigen, dass Unternehmen schon Sicherheitsbedenken vorgeschoben haben, um die Rechte und die Softwarefreiheit von Nutzenden einzuschränken. Dies kam sogar dann vor, wenn es keine empirischen Anzeichen für solche Risiken für die Integrität der Geräte gibt. Stattdessen sind hauptsächlich kommerzielle Interessen die Motivation dafür, solch restrikive Praktiken zu verfolgen. Diese Bestimmung im DMA hat das Potential, Compliance zu verhindern oder im schlechtesten Fall die gefestigte Marktposition der Torwächter zu erhalten oder sogar zu stärken.

Komplexe Durchsetzung

Die Anstrengungen zur Durchsetzung werfen auch Fragen auf, wie Geräteneutralität wirklich und effektiv erreicht werden kann. Der DMA umfasst die Regulierung verschiedener komplexer Aspekte von Geräten, wie Betriebssysteme, Browser und Appstores aber auch Interoperabilität und Datenportabilität. Ähnlich wie das Telekommunikationsgesetz würden solche Maßnahmen weitere Spezifikationen und Regulierungsanstrengungen für die praktische Umsetzung erfordern. Wie unsere Erfahrungen mit Routerfreiheit in der EU gezeigt haben, wären die entsprechenden Telekommunikationsregeln sogar noch viel einfacher einzuführen, obwohl die nationalen Regulierungsbehörden Jahre gebraucht haben, um sie korrekt anzuwenden. Daher können nicht nur die Lobbying-Macht solcher Plattformen, die Zugeständnisse, die das Gesetz hinsichtlich "Sicherheit und Integrität" macht, und das Fehlen klarer Sprache zur Verpflichtung von Open Standards, sondern auch der Marktdruck die Prioritäten bei der Durchsetzung der Kommission und anderer politischer Entscheidungsträger relativieren.

Helfen Sie mit, Geräteneutralität zu verwirklichen!

Die FSFE hat durch die Zusammenarbeit mit der Kommission in Kartellverfahren und auch mit nationalen Regulierungsbehörden umfangreiche Erfahrungen in der Überwachung der Einhaltung von Telekommunikations- und Internetgesetzgebung. Wir werden unsere Anstrengungen auch weiterhin fortsetzen, um das Gesetz über digitale Märkte durchzusetzen und Geräteneutralität in der EU zu verwirklichen. Dafür zählen wir auf Ihre Unterstützung für unsere Arbeit durch eine Spende. Werden Sie aktiv und helfen Sie uns dabei, Ihnen die Kontrolle über Ihre Geräte zurückzugeben!

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Screenshot von dem Core Values Video: Softwarefreiheit.
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