FSFE Newsletter – November 2014
München: Fakten sind stärker als Fiktion
Die Stadt München betreibt auf mehr als 15.000 Arbeitsplatzrechnern Freie Software und hat dabei über 11.000.000€ gespart. Während der Migration auf Freie Software haben sie ihre heterogene IT an 51 Standorten mit 1000 IT-Angestellten und 22 IT-Abteilungen konsolidiert. Trotz dieser Herausforderungen sind die meisten Benutzer mit der Migration zufrieden und sagen, dass sie nicht zurück wechseln wollen. Und all das geschah im Vorgarten von Microsofts deutscher Hauptzentrale.
Wenn einem der Erfolg Freier Software in München nicht passt, was könnte man tun? Man könnte mit Emotionen spielen und Gerüchte darüber streuen, dass die Münchner IT-Leute weder den Interessen der normalen Benutzer noch denen der Exekutive Beachtung schenkt. Natürlich müsste man dabei ganz vage bleiben und darauf hoffen, auch ein paar dieser Stimmen hervorzulocken, die sowieso immer unzufrieden sind – aber das ist ein leichter Weg, um den schon geschafften Prozess zu diskreditieren. Und genau das ist in den letzten Monaten in München mit den Bemerkungen der neuen Bürgermeister Dieter Reiter (SPD, Sozialdemokraten) und seinem Vize Josef Schmid (CSU, Christdemokraten) geschehen. Einige Kommentatoren haben über eine Verbindung zwischen dem Umzug von Microsofts Hauptzentrale von Unterschleißheim nach München und der Aussage Reiters, bei diesem Deal geholfen zu haben, spekuliert. Da Microsoft der größte Steuerzahler in Unterschleißheim war, wird München finanziell stark davon profitieren.
Aber sie scheinen den Erfolg Freier Software in München unterschätzt zu haben. IT-Experten aus ihren eigenen politischen Reihen haben ihre Stimme erhoben, um sie zu korrigieren und andere haben ihre irreführenden Aussagen aufgedeckt. Darüber hinaus spiegeln die Kommentare der Bürgermeister nur einzelne Meinungen wider. Münchens politische Unterstützung für GNU/Linux ist stark und das Geld, das die Stadt spart und durch die Nutzung von GNU/Linux, LibreOffice/OpenOffice und den KDE-Desktop auch weiter einsparen wird, ist ungemein bedeutend. Wenn Freie Software sogar eine solche Schmutzkampagne der Bürgermeister übersteht, zeigt das, dass sie gekommen ist, um zu bleiben. Liebe Freie Software-Gemeinschaft: Seid stolz darauf und sagt es weiter! Aber ruht Euch nicht aus, der nächste Angriff wird subtiler sein.
Richtlinie für Offene Standards auf EU-Ebene
Aber die Antwort auf die Anfrage beinhaltet einen anderen kritischen Punkt: Das Problem der Dokumentformaten. Der Münchner IT-Verantwortliche stellte fest, dass die deutschen Bundesländer und die Bundesregierung zu Beginn der Migration die Wichtigkeit von Freier Software und Offenen Standards betont haben, aber danach nie konsequent diesen eingeschlagenen Pfad weiter verfolgt haben.
In Deutschland blockiert das Fehlen eines klaren Grundsatzes über Offene Standards die öffentliche Verwaltungen, wenn sie auf Freie Software umsteigen wollen. In den letzten Jahren haben andere europäische Länder wie Großbritannien, Frankreich, Italien und Schweden mehr dafür getan, Freie Software und Offene Standards zu fördern.
Auf Europäischer Ebene hat der frühere Münchner Bürgermeister die Europäische Kommission darum gebeten, zwei Maßnahmen zur Teilhabe mit Freier Software an EU-Projekten umzusetzen: Erstens sollten alle Dokumentvorlagen, die in Microsoft Office-Formaten vorhanden sind, auch im Open Document Text-Format (ODT) vorhanden sein. Zweitens dass alle Präsentationsnotebooks in den EU-Institutionen auch ein Programm installiert haben, mit dem man Open Document Präsentationen (ODP) anzeigen kann. Das war im Jahre 2011 und die europäischen Gremien haben sich lange Zeit davor gesträubt, Grundsätze für Offene Standards einzuführen.
Prüfung zur Einhaltung Offener Standards
Wenn sich eine Einrichtung für eine Richtlinie entscheidet, die Offene Standards enthält, so ist das nur der erste Schritt. Es ist nötig, diese Entscheidung zu prüfen und die Institution daran zu erinnern. Im Jahr 2010 haben unsere Fellows in Köln und Bonn als Aktivität zum Document Freedom Day die Bundesverwaltungen auf die Probe gestellt, ob sie die Entscheidung, ODF empfangen, bearbeiten und senden zu können, auch umsetzen. Die FSFE kam zu dem Ergebnis, dass nur 2 der 87 Abteilungen diese Regeln einhalten. Dieser Sachverhalt zeigt die Wichtigkeit, unnachgiebig zu sein und die Umsetzung von solchen Regeln zu kontrollieren. Lesen Sie auch „Werde aktiv“ aus dieser Ausgabe mit spezifischen Vorschlägen, wie man in wenigen Minuten behilflich sein kann.
Etwas gänzlich anderes
- Wir suchen wieder nach Praktikanten, besonders bei der Vorbereitung des Document Freedom Day. Wir haben aber auch eine allgemeine Praktikumsstelle ab Anfang Januar zu besetzen. Als Max Mehl diese Nachricht las, veröffentlichte er einen kurzen Bericht seines Praktikums bei der FSFE.
- Zusammen mit der italienischen Verbrauchervereinigung ADUC und der italienischen Gruppe ILS haben wir die Aufsichtsbehörde gebeten, konkrete Schritte zu unternehmen, damit die italienischen Bürger nicht mehr gezwungen werden, für Software zu bezahlen, die sie weder wollen noch brauchen.
- Lokale Aktivitäten: Unsere Fellowship Gruppe aus Wien hatte ihren bisher aktivsten und erfolgreichsten Herbst. Franz dokumentierte, wie die Gruppe an drei großen Veranstaltungen dem Software Freedom Day, der größte deutschsprachige Konferenz für Tierrechte und dem Game City Fair teilnahm. Christian Kalkhoff von unserer Gruppe in München gab eine Präsentation über die Aktivitäten der Gruppe am GNU Hackers Meeting. Die Videoaufzeichnung ist jetzt online abrufbar. Wenn Sie bei der Organisation der LibreOffice Konferenz 2015 mithelfen wollen, Carsten Agger sucht noch Helfer, da seine Gruppe in Århus bei dieser Veranstaltung mithilft.
- Spoiler-Alarm: Die letzte Ausgabe der Neuigkeiten aus dem Bildungsbereicherwähnen auch den anstehenden Document Freedom Day 2015.
- Öffentliche Verwaltung: Die Stadt Gummersbach kündigte an, dass sie diesen Sommer den Umstieg auf GNU/Linux-PCs erfolgreich beendet hat. Die Healthwatch-Organisationen in England, die Teil des dortigen Gesundheits-/Krankenkassensystems sind, wechseln zu CiviCRM. Eine Freie Software-Lösung, die ursprünglich für die Regierung in Südtirol geschrieben wurde, um automatisch Webseiten der Administration zu prüfen, wird jetzt auch dazu genutzt, um die Seiten der Tourismus-Anbieter der Region unter die Lupe zu nehmen.
- Unsere Schwesterorganisation lädt Freie Software-Befürworter zur libre planet Konferenz 2015 in die USA ein. Des weiteren ist die Nominierung für die 17. Free Software Awards eröffnet und Sie können Ihre Vorschläge bis zum Sonntag, den 16. November, einreichen.
- Matthew Garret schrieb einen Blogbeitrag über die Hintergründe seines Beitritts zum Rat der FSF. Einige der Kommentare, die er erhielt, sind unangenehm beleidigend und Ihr Autor hofft, dass Matthew sie einfach ignorieren kann. Bezug dazu hat der Artikel „über die Krankheit unserer Gesellschaft“ von Jonathan Corbet. Wie immer gilt: Wenn Sie Kommentare dazu haben, schicken Sie sie an unsere Diskussions-Listen.
- Vom FSFE Planet, der Sammlung von Blogeinträgen zur FSFE:
- Computer ziehen in die Modebranche von verschiedenen Richtungen ein. Der derzeitige Praktikant Michele Marrali schreibt über MeshCon 2014, eine Konferenz, die Modedesigner und Technologie-Experten zusammen bringt..
- André Ockers berichtet, dass der niederländische öffentliche Sender NOS Abstand von Offenen Standards nimmt.
- Matija Šuklje leistete seinen ersten Codebeitrag zu KDE und schreibt über die Treuhänderische Lizenzvereinbarung der FSFE.
- Daniel Pocock berichtet über positive Ergebnisse des Outreach-Programms für Frauen
- Hugo Roy erklärt, wie er eine Defensivpublikation für die synchronisierte Dateiverschlüsselung von ownCloud verfasste.
Werde aktiv: Fix my documents – ODF in der europäischen Verwaltung
Die Institutionen der europäischen Union haben noch einiges zu tun, um die Barrieren für die Nutzer Freier Software abzubauen. Zusammen mit dem Open Forum Europe (OFE) traf sich Ihr Autor mit den IT-Verantwortlichen der Kommission, des Rats und des Parlaments. Wir besprachen unseren Brief über Video Formate und die „FixMyDocuments.eu“-Kampagne. Diese wurde vom OFE ins Leben gerufen, um den Institutionen der EU dabei zu helfen, ihre Entscheidung, offene Dokumentformate zu unterstützen, umzusetzen. Freiwillige Helfer der FSFE haben die Webseite bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Jetzt ist es aber an der Zeit, selbst aktiv zu werden.
Wir bitten Sie, Einrichtungen in der europäischen Verwaltung zu finden, die nicht-freie Formate auf deren Webseiten anbieten, ohne gleichzeitig diese Dokumente auch als ODT anzubieten, und diese dann bei uns zu melden.
Desweiteren ermutigt und unterstützt das OFE jeden, der über die Plattform auch andere Verwaltungen abdecken will.
Mein Dank geht an alle Ehrenamtliche,
Fellows und
Spender der FSFE, die unsere Arbeit ermöglichen,
Matthias Kirschner – FSFE