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Softwarepatente in Europa

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Softwarepatente greifen die Existenzgrundlagen von IBM an

2. August 2004

Sehr geehrter Herr Dr. Wladawsky-Berger,

ich hatte als italienischer Vertreter der Free Software Foundation Europe (FSFE) am 22. Juni in Mailand die Gelegenheit, an einem Workshop der IBM teilzunehmen und habe Sie dabei kennengelernt. Bei dieser Gelegenheit erlauben Sie mir auch, Ihnen Herrn Georg Greve, den Präsidenten der FSFE vorzustellen.

Zur Zeit diskutiert die Europäische Union über die Legalisierung von Softwarepatenten - tatsächlich haben wir in Europa bereits 30.000 davon. Und IBM, als der Welt größter Inhaber von Softwarepatenten, betreibt intensive Lobby-Arbeit für ihre formale Einführung.

Die Legalisierung von Waffen zu betreiben, scheint in der Tat ein logischer Schritt zu sein, wenn man im Besitz des größten Arsenals ist.

Wir wissen, dass Ihnen Ihre Rechtsabteilungen sagen, dass Softwarepaatente notwendig seien, um Ihre Forschungsinvestitionen zu schützen. Das ist ein sehr verständlicher Rat, denn schließlich stammt er ja von der Rechtsabteilung. Gäben sie Ihnen einen anderen Rat, könnten Sie Ihr Geld für mehr Forschung, mehr Produkte, mehr Geschäftstätigkeiten ausgeben und weniger Anwälte.

Mitarbeiter der IBM erklären häufig, dass IBM seine Softwarepatente hauptsächlich aus defensiven Gründen hält; um sich selbst und ihre Kunden vor Angriffen durch Softwarepatente zu schützen. Somit verschwenden Sie Ihr Geld für einen Rüstungswettlauf, der nur existiert, weil IBM vorher fehlgeleitet für die Einführung von Softwarepatenten plädierte.

Jedermann sollte heutzutage begriffen haben, daß ein Wettrüsten wohl kaum jemals produktiv sein kann. Es führt zu einem unerträglichen Anwachsen an Ballast über jedes vernünftige Maß hinaus, bis alle außer dem letzten der Teilnehmer an diesem Wettlauf zugrunde gegangen sind. Vielleicht glauben Sie, dass die IBM diejenige sein wird, die diesen Rüstungswettlauf überlebt, damit könnten Sie sogar Recht haben.

Als Ergebnis der Teilnahme an diesem Wettrüsten wird IBM jedoch langsam entstellt werden. Es wird mehr und mehr Energie in ein Rennen investiert, dessen Sinn zunehmend in Frage gestellt wird. Einrichtungen wie die FTC in den Vereinigten Staaten oder das MIT lassen Zweifel am Sinn und Zweck von Softwarepatenten aufkommen.

Während sich also IBM in Reaktion auf diesen Rüstungswettlauf verändert, wird dessen plötzliches Ende das Unternehmen als grotesk entstellten Giganten zurücklassen, dessen gesamte Energie in den Unterhalt einer nunmehr nutzlos gewordenen Waffe geht. Dieser Gigant wird sich mit hunderten frischer, junger und hungriger Firmen, die den Markt mit wahrhaft innovativen Produkten betreten, konfrontiert sehen.

Vor drei Jahren beschrieben Sie in San Francisco die Bedeutung der Freiheit in der Wissenschaft: Wissenschaftler veröffentlichen ihre Gedanken und andere fügen ihre Ideen hinzu - auf diese Art und Weise wird Wissen zum Nutzen aller in Gesellschaft und Wirtschaft aufgebaut. Sie kamen ebenfalls zu dem Schluss, dass Freie Software von vergleichbarer Bedeutung für die Informationstechnologie ist, wie die Mathematik für die Physik.

Softwarepatente zwingen IBM nicht nur in die Selbst-Deformation und in die Verschwendung substantieller Ressourcen in ansonsten nutzlosen juristischen Wildwuchs, sie schaden auch Freier Software -- die Basis Ihrer Langzeit-Pläne bezüglich der On-demand Strategie.

Während Sie also den Erwerb dieser Waffen mit Ihrem Innovationspotential erkauft haben, müssen Sie nun beim Blick auf Ihre Waffen feststellen, dass diese nie abgefeuert werden sollten, da die anschließenden Vergeltungsmaßnahmen höchstwahrscheinlich das Fundament zerstören würden, auf dem Sie Ihre Zukunft aufbauen wollen.

Indem Sie für Softwarepatente eintreten, treten Sie nicht nur in einen Wettlauf ein, der zum Schaden der gesamten Industrie -- einschließlich IBMs -- führen wird. Sie legen auch Hand an die fundamentalen Grundlagen Ihrer Langzeit-Strategien.

Bitte unterstützen Sie in Ihrem eigenen Interesse unsere Arbeit gegen Software-Patente in Europa. Wir sind bereit, über das Wie zu diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen

Stefano Maffulli
Italienischer Vertreter
Free Software Foundation Europe
fsfe.org
 
Georg Greve
Präsident
Free Software Foundation Europe
fsfe.org